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Blutrote Kuesse

Titel: Blutrote Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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betrachtete Timmie mit den Augen meiner Mutter. Er war ein lebender, atmender junger Mann. Einer, der hundertprozentig nicht tot war.
    Zu meiner Ehrenrettung muss gesagt werden, dass ich durch den Schlafentzug, meine Tage und die Anschuldigung, ich wäre auf Flüssignahrung umgestiegen, wahrscheinlich nicht mehr ganz zurechnungsfähig war.
    »Ja!« Das kam mir ganz unbekümmert und überzeugend über die Lippen.
    »Mom, darf ich vorstellen, mein Freund Timmie!«
    Ich trat vor ihn, sodass sie seinen verdutzten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, und gab ihm einen leidenschaftlichen Schmatzer auf die Wange.
    »Bitte mach mit«, flüsterte ich ihm flehentlich ins Ohr, während ich ihn umarmte.
    »Autsch!«, quiekte er.
    Ups. Zu fest gedrückt. Von einem Ohr zum anderen grinsend, ließ ich ihn los.
    »Ist er nicht einfach wundervoll?«
    Sie kam näher und musterte ihn von oben bis unten.
    Timmie sah sie erst mit großen Augen an und reichte ihr dann zitternd die Hand.
    »H...hallo, Mrs....?«
    »Ms.«, berichtigte sie ihn sofort.
    Ihr resoluter Tonfall ließ ihn kreidebleich werden, dabei wusste er noch nicht einmal, dass das aus vielerlei Gründen ein heikles Thema war. Man musste ihm jedoch zugutehalten, dass er nicht gleich die Flucht ergriff.
    »Ms.«, versuchte er es noch einmal. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Ms. ...?«
    »Du hast mit ihm geschlafen, und er weiß nicht einmal, wie du mit Nachnamen heißt?«, erkundigte sich meine Mutter mit finsterem Blick.
    Ich verdrehte die Augen zum Himmel, dann zwickte ich Timmie, der gerade wieder zurückweichen wollte.
    »Mach dir nichts draus, Liebling, manchmal weiß sie einfach nicht, was sich gehört. Mom, soll Timmie dich Justina nennen? Oder Ms. Crawfield?«
    Sie sah mich noch immer mit ihrem Wie-konntest-du-nur-Blick an, aber er war schon weniger eisig. »Justina, bitte. Schön, dich endlich kennenzulernen, Timmie. Catherine hat mir schon erzählt, dass du ihr geholfen hast, diese Dämonen auszurotten. Ich bin froh, dass es dort draußen noch jemanden gibt, der die Welt von ihnen befreien will.«
    Timmie sah aus, als würde er jeden Augenblick in Ohnmacht fallen.
    »Komm, wir holen Kaffee«, sagte ich und schob ihn praktisch zur Tür, bevor er Einwände erheben konnte.
    »Bleib du hier, Mom. Er wohnt nebenan, wir sind gleich zurück!«
    Kaum in Timmies Wohnung angekommen, zog ich ihn dicht zu mir und senkte die Stimme. »Meine arme Mutter! An manchen Tagen geht es ihr gut, an anderen weniger. Ihre Medikamentendosis soll angepasst werden, aber man weiß nie, wann wieder so ein Schub kommt. Beachte es einfach gar nicht, wenn sie vom Dämonen-Ausrotten anfängt. Sie hat sich mit Leib und Seele der Pfingstbewegung verschrieben. Glaubt, dass der Heilige Geist in sie fährt und so ein Zeug. Nicke immer schön, und versuche, gar nicht darauf einzugehen.«
    »Aber... aber...« Timmie hätte die Augen unmöglich noch weiter aufreißen können. »Warum hast du mich als deinen Freund ausgegeben? Warum weiß sie nichts von deinem echten Freund?«
    Das war eine gute Frage. Ich zermarterte mir das Hirn nach einer Antwort. Irgendetwas musste mir doch einfallen.
    »Er ist Brite!«, sagte ich schließlich aus Verzweiflung. »Und Mom... Mom hasst Ausländer!«
    Sie blieb eine Stunde. Als sie ging, war ich ein Nervenbündel, und Timmie ging es nicht besser. Er hatte so viel Kaffee getrunken, dass er sein Zittern nicht einmal mehr im Sitzen unter Kontrolle hatte. Ich hatte versucht, die Unterhaltung aufs Thema College zu lenken, die Plantage, meine Großeltern, eben irgendetwas, in dem das Wort Vampir nicht vorkam. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit schnitt ich hinter ihrem Rücken mitleidige Grimassen oder tippte mir an die Stirn.
    Timmie tat sein Bestes, als meine Mutter wieder einen »Schub« bekam.
    »Genau, Justina!«, sagte er mehr als einmal. »Wir schlagen diese Dämonen nieder und bezwingen sie mit der Kraft Jesu. Hallelujah, höre ich ein Amen?«
    Er legte solche Begeisterung an den Tag, dass sie mich auf dem Weg zur Tür beiseitenahm und mir zuflüsterte, er sei zwar ein lieber Kerl... in religiöser Hinsicht aber vielleicht etwas fanatisch.
    Als sie endlich weg war, lehnte ich mich gegen die Tür und schloss erleichtert die Augen.
    »Gott sei Dank«, brummte ich.
    »Genau«, fiel Timmie mit ein. »Amen!«
    »Du kannst jetzt aufhören«, sagte ich müde lächelnd zu ihm. »Ich bin dir was schuldig, Timmie. Danke.«
    Ich hatte ihm gerade dankbar die Arme um den Hals

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