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Blutrote Kuesse

Titel: Blutrote Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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einhundertsechzig Stundenkilometern hätte sie vom Fahrtwind erfasst und fortgeweht werden können.
    Bones schüttelte kurz den Kopf und zog den Zettel hervor.
    »Du wirst sie nicht verstehen. Sie war an mich gerichtet.« Vorsichtig strich ich das Papier glatt, das den einzigen Hinweis auf den Verbleib meiner Mutter enthielt:
    Vergeltung. Wenn der Tag den Tod zweimal überschritten hat.
    »Heißt das, sie ist noch am Leben?«
    »O ja, das soll es heißen. Wenn man ihnen Glauben schenken will.«
    »Und glaubst du ihnen? Gibt es so eine Art... vampirischen Ehrenkodex, demzufolge man bei Geiselnahmen nicht lügen darf?«
    Er warf mir einen Blick zu. Sein mitleidiger Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen.
    »Nein, Kätzchen. Aber Hennessey ist vielleicht der Meinung, er könne sie noch brauchen. Deine Mutter ist immer noch eine hübsche Frau, und du weißt ja, was er mit hübschen Frauen macht.«
    Bei dieser Vorstellung kam rasender Zorn in mir auf, aber wenigstens war Bones ehrlich zu mir gewesen. Lügen würden mir nicht weiterhelfen, aber die Wahrheit konnte sie retten, falls ich es ausnahmsweise einmal schaffte, mich nicht von meiner Wut hinreißen zu lassen und ganz vernünftig zu handeln.
    »Wann sollen wir uns mit ihnen treffen? Ich nehme doch an, sie haben einen Zeitpunkt festgesetzt? Was wollen sie?« Die Fragen kamen mir schneller in den Kopf, als ich sie stellen konnte, und er hob die Hand.
    »Erst mal muss ich irgendwo anhalten, dann können wir reden. Ich will nicht, dass uns auch noch die Bullen auf den Leib rücken und wir vom Regen in die Traufe kommen.«
    Ich nickte stumm und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Nach etwa zwanzig Minuten fuhr Bones vom Highway ab und hielt vor einem Motel 6 an.
    »Warte hier einen Augenblick«, bat er mich. Zehn Minuten später war er aus dem Motel zurück und fuhr um das Gebäude herum. Es befand sich nicht gerade in der vornehmsten Gegend, und ich sah mich besorgt um, als ein paar Typen, die sich in der Nähe herumtrieben, uns mit finsteren Blicken taxierten.
    »Komm mit, hier geht's lang.«
    Er schenkte den zwielichtigen Gestalten keinerlei Beachtung, ergriff meine Hand und führte mich in ein Zimmer. Von innen wirkte das Etablissement nicht weniger schäbig als von außen, aber das war im Augenblick meine geringste Sorge.
    »Was sollen wir hier?« Ein Schäferstündchen hatte er ja wohl kaum im Sinn.
    »Hier sind wir eine Zeit lang weg von der Straße, erregen nicht so viel Aufmerksamkeit und können uns ungestört unterhalten. Außerdem kannst du dir hier das Blut abwaschen.«
    Ich würdigte meine rötlich verkrusteten Hände kaum eines Blickes. Stattdessen sah ich ihn fragend an. »Haben wir dafür Zeit?«
    Bones nickte leicht. »Wir haben noch Stunden. Sie wollen sich um zwei Uhr mit uns treffen. Das meinen sie mit >wenn der Tag den Tod zweimal überschritten hat<. Um Mitternacht stirbt der Tag, sie wollen uns erst zwei Stunden danach sehen. Wollten dir offensichtlich ausreichend Zeit lassen, ganz sichergehen, dass du von der Ermordung deiner Großeltern erfährst und dich mit mir in Verbindung setzt.«
    »Wie umsichtig.« Meine Stimme war hasserfüllt. »Jetzt sag mir, was sie wollen? Mich statt meiner Mutter? Will Hennessey den Lockvogel, der ihn fast umgebracht hätte?«
    Bones führte mich zur Bettkante und bedeutete mir, ich solle mich setzen. Mein Körper war vor lauter Hass und Kummer wie erstarrt. Bones ging vor mir in die Hocke und ergriff meine blutverkrusteten Hände. Wir hatten kein Licht angemacht, aber ich konnte ihn auch so sehen. Im Mondlicht war sein Haar fast weiß, und die Konturen seines Gesichts wirkten wie zum Leben erwachter Marmor.
    »Du weißt, dass Hennessey nicht hinter dir her ist, Kätzchen... mich will er. Du bist für ihn nur Mittel zum Zweck. Dir ist doch wohl klar, dass sie von deiner Mutter alles über dich erfahren können. Mit etwas Glück stellen sie nicht die richtigen Fragen. Ich habe dir ja selbst nicht geglaubt, als du mir erzählt hast, was du bist; erst deine Augen haben mich überzeugt. Selbst wenn sie deine Mutter dazu bringen, es ihnen zu verraten, glauben sie womöglich, sie fantasiert, und hören gar nicht richtig hin. Inzwischen sind sie bestimmt schon in deine Wohnung eingebrochen und suchen nach dir. Wahrscheinlich haben dir die Typen von der Polizei heute Morgen das Leben gerettet, indem sie dich aus deiner Wohnung verscheucht haben. Hennesseys Leute werden deine Waffen finden, aber bestimmt glauben sie, es

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