Blutrote Kuesse
sofort an die Decke. »Warum? Glaubst du, ich werde nicht mit ihm fertig? Oder denkst du immer noch, ich könnte was ausplaudern? Ich dachte, das hätten wir geklärt!«
»Ich glaube, du würdest gut daran tun, dich aus einigen Dingen herauszuhalten«, antwortete er ausweichend.
Ich änderte die Taktik. Wenigstens war jetzt die sonderbare Stimmung von vorhin verschwunden. »Du hast gesagt, Sergio sei Hennesseys bester Kunde. Was hast du damit gemeint? Was hat Sergio deinem Auftraggeber getan ? Weißt du es, oder hast du den Auftrag einfach angenommen, ohne Fragen zu stellen?«
Bones stieß einen leisen Laut aus. »Genau an solchen Fragen liegt es, dass ich dir nicht mehr darüber sage. Nur so viel: Ohio ist in letzter Zeit nicht ohne Grund ein so gefährlicher Ort für junge Mädchen. Deshalb will ich auch nicht, dass du ohne mich auf Vampirjagd gehst. Hennessey ist mehr als nur ein Dreckskerl, der auch mal jemanden aussaugt, wenn er damit durchkommt. Stell jetzt keine Fragen mehr.«
»Kannst du mir wenigstens verraten, wie lange du schon hinter ihm her bist? Das kann doch nicht streng geheim sein.«
Mein verächtlicher Tonfall war ihm nicht entgangen, und er runzelte die Stirn. Mir war es egal. Besser mit ihm streiten als... na ja, alles andere.
»Ungefähr elf Jahre.«
Fast hätte es mich von meiner Kiste gehauen. »Grundgütiger! Auf den muss ja wirklich ein schöner Batzen ausgesetzt sein! Komm schon, was hat er gemacht? Hat sich's wohl mit irgendeinem Geldsack verscherzt.«
Bones warf mir einen undeutbaren Blick zu. »Nicht alles dreht sich um Geld.«
Sein Tonfall gab zu verstehen, dass ich nichts mehr aus ihm herausholen würde. Na schön. Wenn er mir auf diese Tour kommen wollte, gut. Ich würde es später einfach noch mal versuchen.
»Wie bist du zum Vampir geworden?«, wollte ich als Nächstes wissen und war sogar selbst erstaunt über meine Frage.
Er zog die Brauen hoch, aber ich durchbohrte ihn so lange mit Blicken, bis er sich mit einem ergebenen Seufzen geschlagen gab.
»Also gut, ich verrate es dir, aber dann musst du mir eine Frage beantworten. Wir müssen ohnehin eine Stunde totschlagen.«
»Quid pro quo also, Dr. Lecter?«, spottete ich. »In Ordnung, aber ich weiß eigentlich nicht, was dir das bringen soll. Du weißt schon alles über mich.«
Er warf mir einen sengenden Blick zu, und seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Nicht alles.«
Huch. Mit einem Schlag war die unbehagliche Stimmung wieder da. Ich räusperte mich, weil mein Mund plötzlich ganz trocken war, und rutschte hin und her, bis ich mich noch kleiner gemacht hatte.
»Wann ist es passiert? Wann wurdest du verwandelt?« Bitte sag einfach was. Bitte hör auf, mich so anzusehen.
»Mal überlegen, das war 1790 in Australien. Ich habe diesem Typen einen Gefallen getan, und er hat gedacht, sich revanchieren zu können, indem er mich zum Vampir gemacht hat.«
»Was?«, ich war ganz entgeistert. »Du bist Australier? Ich dachte, du wärst Brite!«
Er verzog den Mund zu einem Lächeln, aber es lag kaum Fröhlichkeit darin.
»Ich bin sozusagen beides ein bisschen. Ich bin in England geboren. Dort habe ich meine Jugend verbracht, aber in Australien bin ich zum Vampir geworden. Also stamme ich auch von dort.«
Nun war meine Neugier geweckt, meine Bestürzung von vorhin wie weggeblasen. »Du musst schon ein bisschen genauer werden.«
Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Anhängerwand, die Beine lässig ausgestreckt. »Ich war vierundzwanzig. Es geschah einen Monat nach meinem Geburtstag.«
»Mein Gott, wir sind fast gleich alt!« Kaum waren die Worte ausgesprochen, fiel mir auf, wie absurd sie waren.
Er schnaubte. »Ja klar. Plus/minus zweihundertsiebzehn Jahre.«
»Äh, du weißt, was ich meine. Du siehst älter aus als vierundzwanzig.«
»Vielen Dank auch.« Er lachte über meinen beschämten Gesichtsausdruck, spannte mich aber nicht länger auf die Folter. »Das waren andere Zeiten. Die Leute sind viel schneller gealtert. Ihr habt einfach keine Ahnung, wie gut ihr es heutzutage habt.«
»Erzähl weiter.« Er zögerte, und mir entfuhr ein »Bitte«.
Bones beugte sich vor, er war ganz ernst geworden.
»Es ist keine schöne Geschichte, Kätzchen. Nicht so romantisch wie in den Filmen oder Büchern. Du hast mir doch erzählt, wie du diese Jungs fertiggemacht hast, weil sie deine Mutter als Hure bezeichnet hatten? Naja, meine Mutter war eine Hure. Sie hieß Penelope und hat mich mit fünfzehn Jahren zur Welt
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