Blutrote Kuesse
der Bar zurück. Mir war noch immer ein bisschen schwindlig. Die ganze Umgebung kam mir ein wenig verändert vor, die Konturen fast ein wenig verwischt. Ich würde wieder auf Cola zurückgreifen müssen.
Die Toiletten waren auf der anderen Seite des Clubs, und beim Hinausgehen sah ich Bones auf dem Innenbalkon stehen. Er lehnte mit dem Rücken gegen die Glasscheibe, die uns voneinander trennte. Ich wollte ihn über den Stand der Dinge informieren, solange ich die Chance dazu hatte, also ging ich schneller und bahnte mir einen Weg durch die Menge, bis ich eine Tür erreicht hatte, die auf den Balkon hinausging.
Vor ihm stand eine Frau. Die Arme ließ sie locker hängen, und Bones hatte ihr die Hände auf die Schultern gelegt. Sein Mund war auf ihrem Hals, und seine Augen leuchteten vampirgrün. Wie versteinert blieb ich stehen und beobachtete, wie seine Kehle arbeitete, ein gelegentliches Schlucken. Das Mädchen wehrte sich nicht. Es war sogar halb auf ihn gesunken.
Plötzlich hob er den Blick und sah mich direkt an. Unfähig wegzusehen starrte ich ihn weiter wie gebannt an, während er saugte. Einige Augenblicke später ließ er vom Hals der Frau ab. Erstaunlicherweise war der nur leicht gerötet. Er war offensichtlich ein sehr manierlicher Esser. Mich nicht aus den Augen lassend, schlitzte er sich mit einem Reißzahn den Daumen auf und drückte ihn der jungen Frau auf den Hals. Die beiden Löcher schlössen sich sofort und verschwanden.
»Fort mit dir«, wies er sie an.
Mit verklärtem Lächeln folgte sie seiner Anweisung und ging ohne ein Wimpernzucken direkt an mir vorbei.
»Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, anderen Leuten beim Essen zuzusehen?«
Sein beiläufiger Tonfall rüttelte mich wach.
»Die Frau... geht es ihr gut?« Sie hatte zwar nicht den Eindruck gemacht, als habe er ihr lebensbedrohlich viel Blut ausgesaugt, aber ich kannte mich da nicht aus.
»Natürlich. Sie ist das gewohnt. Deshalb kommen die meisten Menschen doch her. Sie sind das wandelnde Büffet.«
Bones kam näher, aber ich wich einen Schritt zurück. Er sah es und runzelte die Stirn.
»Was ist? Sieh mal, dem Mädchen geht's gut. Du weißt doch, dass ich ein Vampir bin. Hast du etwa gedacht, ich sauge nie Blut?«
Die Vorstellung war mir so widerlich gewesen, dass ich mich nie in irgendeiner Form näher damit befasst hatte. Das gerade Geschehene war der kalte Guss gewesen, den ich gebraucht hatte.
»Ich wollte dir nur sagen, dass es bei uns gut läuft. Wir hauen wahrscheinlich so in zwanzig Minuten ab.« Geistesabwesend begann ich mir den Kopf zu reiben. Um mich herum drehte sich wieder alles.
»Geht's dir gut?«
Die Frage war so absurd, dass ich laut auflachte.
»Nein, mir geht's nicht gut. Ganz und gar nicht. Vorhin habe ich dich geküsst, und jetzt muss ich mit ansehen, wie du an diesem Mädchen rumschlabberst. Mir geht's alles andere als gut.«
Er trat näher an mich heran, und ich wich zurück.
»Fass mich nicht an.«
Fluchend ballte er die Fäuste, rührte sich aber nicht von der Stelle.
»Gut. Wir reden später darüber. Geh wieder zu ihm, bevor er unruhig wird.«
»Wir reden nicht später darüber«, konstatierte ich kühl, als ich wieder zur Tür ging. »Eigentlich will ich überhaupt nicht mehr darüber reden.«
Ich war immer noch ganz außer mir, als ich mich wieder neben Hennessey setzte, doch ich zwang mich zu einem Lächeln und bestellte prompt noch einen Gin Tonic. Scheiß auf die Cola, volle Kraft voraus!
Hennessey streckte den Arm aus und ergriff meine Hand.
»Was ist los, Cat? Du wirkst so bedrückt.«
Ich spielte mit dem Gedanken, ihn anzulügen, besann mich aber eines Besseren. Vielleicht hatte er gesehen, wie ich mit Bones geredet hatte, wenn er uns auch bei all dem Lärm bestimmt nicht hatte hören können; ich durfte ihn also nicht miss-trauisch machen.
»Oh, es ist nichts, wirklich. Als ich von der Toilette zurückkam, bin ich Bones in die Arme gelaufen, und er hat ein paar äußerst unfeine Dinge gesagt. Ich bin wahrscheinlich einfach nur ein bisschen aufgewühlt, sonst nichts.«
Hennessey nahm seine Hand weg und stand auf, das Lächeln auf seinem Gesicht war Höflichkeit pur. »Würdest du mich bitte entschuldigen? Ich habe plötzlich Sehnsucht nach einem alten Bekannten bekommen.«
»Bitte nicht«, platzte ich heraus, weil ich keine Auseinandersetzung anzetteln wollte. Na ja, noch nicht.
»Es dauert nur ein paar Minuten, meine Liebe. Er soll nur wissen, dass
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