Blutrote Kuesse
oder im Wagen bleiben sollte, aber er hatte mir die Entscheidung abgenommen.
»Wir gehen jetzt zu dieser netten Dame«, informierte ich die junge Frau und stützte sie beim Aussteigen aus dem Wagen. Ich brauchte sie nicht zu tragen... hätte man es ihr befohlen, wäre sie gelaufen. Ich hielt nur ihr Laken fest und dirigierte sie in die richtige Richtung.
Taras Züge drückten deutliches Mitgefühl aus, als wir uns näherten. Da fiel mir auf, dass sie eine Narbe von der Augenbraue bis zum Haaransatz hatte, und ich schämte mich, weil ich mich so kleinlich gefragt hatte, ob sie Bones' Geliebte gewesen war.
»Ich nehme sie«, sagte Bones und hob das Mädchen hoch, als wiege es überhaupt nichts. »Tara, das ist Cat.«
Ich war überrascht, dass er mich so nannte, doch ich streckte Tara die Hand entgegen, und sie schüttelte sie herzlich.
»Freut mich, dich kennenzulernen, Cat. Bones, bring sie in mein Zimmer.«
Ohne zu fragen, wo das Zimmer war, verschwand er im Haus, und zum zweiten Mal sagte ich mir, dass mich das nichts anginge.
»Komm herein, Kind, dir ist bestimmt kalt!«, sagte Tara ihrerseits fröstelnd. Um vier Uhr morgens war es in dieser Höhe empfindlich kühl.
Nun sah ich an mir herunter und stöhnte im Geiste auf. Sah ich nicht reizend aus?
In diesem Kleid und so stark geschminkt würde Tara mich bestimmt für eine ziemliche Schlampe halten.
»Vielen Dank, ich freue mich auch, Sie kennenzulernen«, antwortete ich höflich. Wenigstens konnte ich anständige Umgangsformen vorweisen.
Ich folgte Tara in die Küche und ließ mir von ihr eine Tasse Kaffee reichen. Sie goss sich selbst auch einen Kaffee ein und forderte mich mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen.
Ein Schrei zerriss die Stille und ließ mich aufspringen, als ich mich gerade hatte setzen wollen.
»Alles in Ordnung«, sagte Tara eilig und hob beschwichtigend die Hand. »Er bringt sie nur wieder zu Bewusstsein.«
Während die junge Frau noch markerschütternd schrie, hörte ich Bones eindringlich auf sie einreden, ihr sagen, sie sei in Sicherheit und habe nichts mehr zu befürchten. Bald ging ihr Schreien in Schluchzen über.
»Es kann ein Weilchen dauern«, fuhr Tara nüchtern fort. »Er sorgt dafür, dass sie sich an alles erinnert, und verpasst ihr dann ein mentales Pflaster, damit sie keinen Selbstmord begeht. Das kommt manchmal vor.«
»Hat er das schon einmal gemacht?«, fragte ich verständnislos. »Traumatisierte Mädchen hierhergebracht?«
Tara trank langsam ihren Kaffee. »In der Stadt betreibe ich ein Frauenhaus. Für gewöhnlich bringe ich niemanden hierher, aber ab und zu kommt jemand zu uns, der einer besonderen Fürsorge bedarf. Wenn diejenige ganz besonderer Fürsorge bedarf, lasse ich Bones kommen. Ich bin froh, ihm auch endlich einmal einen Gefallen erweisen zu können. Ich habe ihm mein Leben zu verdanken, aber das hat er dir bestimmt erzählt.«
Ich sah sie fragend an. »Nein, wieso denken Sie das?«
Sie lächelte mich wissend an. »Weil er noch nie ein Mädchen mit hierhergebracht hat, Kind. Zumindest keines, das nicht meiner Hilfe bedurfte.«
Oh! Das ging mir runter wie Öl, aber ich winkte ab. »So ist das nicht. Wir, äh, arbeiten sozusagen zusammen. Ich bin nicht seine, äh... was ich sagen will, ist, Sie können ihn ruhig haben, wenn Sie wollen!«, schloss ich wild drauflosplappernd.
Von oben hörte ich ein entrüstetes Schnauben, das nicht von dem Mädchen kam. Ich zuckte zusammen, doch das Gesagte ließ sich nicht zurücknehmen.
Tara sah mich offen und unverwandt an. »Mein Mann hat mich geschlagen. Ich hatte Angst, ihn zu verlassen, weil ich kein Geld und eine kleine Tochter hatte, aber eines Abends hat er mir die hier verpasst.« Sie deutete auf die Narbe an ihrer Schläfe. »Da habe ich ihm gesagt, es sei aus. Ich hatte die Schnauze voll. Er hat geweint und gemeint, er hätte es nicht mit Absicht getan. Das hat er hinterher immer gesagt, aber verdammt noch mal, es war seine volle Absicht. Niemand verprügelt einen ohne Absicht. Ich jedenfalls hatte die Absicht, ihn zu verlassen, und das wusste er auch. Als ich dann zur Arbeit gegangen war, hat er mir hinter meinem Wagen aufgelauert. Nach Schichtende bin ich auf den Parkplatz gekommen, und da stand er und hat mich lächelnd mit der Knarre bedroht. Ich habe einen Schuss gehört, gedacht, ich sei tot... und dann war da dieser Weiße. Er sah aus wie ein gottverdammter Albino und hatte meinen Mann an der Gurgel gepackt. Er wollte von mir wissen, ob
Weitere Kostenlose Bücher