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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Sommergewitter herein und schrie mich seit Langem wieder einmal an. Es war ihm gleich, dass die Dienerschaft unseren Streit hörte.
    »Es wissen doch schon alle Bescheid«, schimpfte er, während ich am Tisch vor ihm saß. Er war außer sich vor Wut, weil ich den Marquis aufgesucht hatte. Eine ganze Stunde lang hielt er mir einen Vortrag, wie leichtsinnig ich gewesen war, und stellte immer wieder dieselbe Frage: »Was um Himmels willen hast du dir nur dabei gedacht?«
    Aber ich konnte es ihm nicht erklären. Was ich noch vor wenigen Stunden gefühlt hatte, schien auf einmal Jahre her zu sein. Während Vater sich in langen Reden über meine Pflichten als Tochter des Hauses de Montmorency ausließ, starrte ich nur aus dem Fenster, vor dem die Nacht hereinbrach. Diener zündeten Kerzen an und tauchten den Raum in ein warmes Licht, doch diese Wärme spürte ich nicht.
    Über de Bassompierres Affäre verlor Vater kein Wort, stattdessen verlangte er am Ende seiner Lektion, dass ich in der Öffentlichkeit so tat, als wäre nichts gewesen, damit sich die Klatschmäuler beruhigten.
    »Die Montmorencys sind keine Feiglinge«, sagte er noch, und: »Wir verstecken uns nicht. Wenn du nur den Kopf oben behältst, dann wird sich der Klatsch bald legen. Vergiss nicht, wer du bist.« Das war also sein Rat, ich sollte das Gerede schlicht ignorieren. Ausnahmsweise war er sich mit Manon einig.
    Das ursprünglich angesetzte Wiedersehen mit de Bassompierre verschob er auf unbestimmte Zeit, bis sich die Gemüter beruhigt hätten, womit er wohl zum Teil auch meines meinte.
    Doch so einfach war das nicht.
     
    In den nächsten Tagen versuchte ich, so gut es ging, das einsetzende Gerede zu ignorieren, aber der Louvre entpuppte sich als ein Ort, an dem man sehr schlecht Dinge verbergen konnte. Manon puderte mir die Wangen rot, damit die Menschen nicht sahen, wie blass ich in Wirklichkeit war; gegen die verheulten Augen brachte sie Kamillenumschläge. Trotzdem konnte ich sie spüren, die Blicke der anderen, wenn ich im Gang an ihnen vorüberging. Das Wispern, die Gespräche, die plötzlich verstummten, wenn ich einen Raum betrat. Menschen, die ich gar nicht kannte, sahen mir nach, und die Menschen, denen mich Henri oder Vater vorstellten, sahen zur Seite, als wüssten sie nicht, was sie zu mir sagen sollten.
    Selbst Madame Morens zog die Nase hoch, wenn ich den Saal betrat, bevor sie dann mit dem Unterricht fortfuhr. Sie wurde nicht müde zu betonen, wie schlecht die Mädchen von heute erzogen waren. Als ich sie einmal empört fragte, was denn mit den Männern von heute sei, schnappte sie nach Luft und verließ augenblicklich den Saal. Sie sei entsetzt gewesen über so viel Unverfrorenheit, teilte mir Vater am Abend mit, nachdem sie sich bei ihm beschwert hatte.
    Wieder einmal hielt er mir einen Vortrag darüber, wie ich mich nicht zu benehmen hatte.
    Währenddessen nagte dieser dumpfe Schmerz in meinem Bauch, als hätte ich etwas Verdorbenes gegessen. Wie konnte etwas, das ich als falsch empfand, von allen anderen als ganz normal hingenommen werden? Sollte ich ihrem Urteil mehr trauen als meinem eigenen?
    Nach drei Tagen hatte ich eine rote Nase, weil ich ständig ins Taschentuch schnäuzte.
    War das etwa der Stolz der Montmorencys?, fragte ich mich eines Morgens vor dem Spiegel. War Schweigen tatsächlich mehr wert als Kämpfen? Ich konnte nicht glauben, dass sich niemand über de Bassompierres Verhalten empörte, dass alle taten, als wäre nichts dabei. Die Wut darüber machte mich ganz krank.
    Als ich Vater versuchte darauf anzusprechen, erwiderte er nur barsch: »Ich will nichts mehr davon hören!«
    Sein Beharren darauf, die Situation zu ignorieren, schmerzte mich fast mehr als de Bassompierres Verrat. Daher beschloss ich, mir meinen Kummer nicht mehr ansehen zu lassen. Mein Stolz hielt mich aufrecht, und wenn mir nach Heulen zumute war, dachte ich an Großvater und daran, dass wir die ersten Barone Frankreichs waren.
    Doch dieser kalte Klumpen in meinem Magen wollte nicht verschwinden.
    Der einzige Trost war mir Sophie. Als wir nach diesem unglückseligen Vorfall das erste Mal wieder im Unterricht aufeinandertrafen, griff sie einfach nach meiner Hand, als das Fräulein über gute Umgangsformen dozierte.
    »Achte nicht auf die Leute, die werden sich schon wieder beruhigen«, sagte sie nach dem Unterricht zu mir, als wir im Garten spazieren gingen. Wir waren in dicke Wollmäntel gehüllt, deren Säume im Schnee schleiften. Mit jedem

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