Blutrote Lilien
einsperren und bis zur Hochzeit nicht mehr herauslassen, damit ich nichts mehr anstellen konnte. Nein, es war besser, wenn Vater von dieser ganzen Sache nie etwas erfuhr, es musste mein Geheimnis bleiben.
»Großartig«, seufzte ich müde, als ich mich von der Tür wegstemmte und langsam den Gang zurückging. Auf dem Steinfußboden hallten meine Schritte wider und mit Schrecken musste ich auf einmal daran denken, wie ich das Malheur mit dem Mantel Manon erklären sollte, schließlich konnte ich den Mantel nicht vor ihr verstecken. Aber die Wahrheit konnte ich ihr nicht sagen. Ich wollte sie nicht mit hineinziehen in diese Ereignisse, denn sollten sie jemals doch ans Tageslicht kommen, würde Vater glauben, Manon hätte mir geholfen, und sie bestrafen.
Auf dem Weg zurück in den Louvre überlegte ich mir eine Geschichte, die ich Manon erzählen konnte. Meine arme Zofe würde sich über den verschmutzten Mantel sicher die Haare raufen.
- 9 -
In dieser Nacht schlief ich schlecht. Immer wieder sah ich Angoulevents blutiges Wams vor mir und dachte an die Männer, die ihn verfolgt hatten. Manon hatte ich erzählt, ein Bursche hätte in der Falknerei den Eimer mit den Innereien für die Vögel fallen lassen und mich aus Versehen damit bespritzt. Den ganzen Abend hatte sie sich darüber beschwert, dass sie den Mantel nie wieder ganz rein bekommen würde, und Henri nannte de Luyenes einen Stümper .
Darüber gerieten wir so in Streit, dass Vater uns anschrie, wir würden uns aufführen wie ein Haufen junger Hunde. Beschämt über meinen Ausbruch sah ich zu Boden und auch Henri verstummte. Ich wusste nicht, was in mich gefahren war, aber wie mein Bruder über den Vogelsteller sprach, ärgerte mich. Immerfort hatte er an allen etwas auszusetzen und dieses nörgelnde Temperament irritierte mich, denn es war ihm früher nicht zu eigen gewesen. Wieder saß er am Abendbrottisch mit finster verzogenem Gesicht und reagierte nur einsilbig, wenn Vater das Wort an ihn richtete.
Langsam bekam ich das Gefühl, die ganze Welt war verrückt geworden!
Meine Stimmung besserte sich erst am nächsten Morgen, als ich beim Frühstück unter meinem Teller eine kleine Notiz fand, die ich hastig in den Falten meines Rockes verschwinden ließ. Wie sie unter den Teller gekommen war, wusste ich nicht, einer der Diener musste zu Angoulevents Männern gehören, aber ich konnte nicht sagen welcher. Die Diener hatten alle den Blick gesenkt und keiner von ihnen versuchte, mir durch eine Geste etwas mitzuteilen.
Im Schutz meines Zimmers öffnete ich die Notiz. Auf ihr stand: »Auf ewig Euer Diener.« Darunter war ein großes verschnörkeltes A gezeichnet, neben dem eine Blume spross. Als ich sie sah, musste ich lächeln und warf den Zettel dann in den Kamin, damit ihn nicht zufällig jemand fand. Sophie hatte recht, im Louvre musste man vorsichtig sein, das hatte ich inzwischen begriffen. Der Narr schien seine Begegnung mit Concinis Männern lebend überstanden zu haben und die Erleichterung darüber nahm den Druck von meiner Brust, der sich wie ein Nachtmahr dort niedergelassen hatte.
Geblieben war nur eine leise Unruhe, die seit einiger Zeit mein ständiger Begleiter war. Daher beschlossen Sophie und ich nach einer erneuten Unterrichtsstunde bei Fräulein Meckerziege, an diesem Nachmittag unser Glück in Paris zu versuchen. Immerhin hatte ich noch nicht viel gesehen seit meiner Ankunft und weder Henri noch Vater hatten Zeit, mir die Stadt zu zeigen.
Weil mein Mantel noch über einem Stuhl hing und am Kamin trocknete, nachdem Manon ihn stundenlang geschrubbt hatte, nahm ich mir einen von Vaters schweren Wollmänteln, der mir zwar deutlich zu groß war, aber seinen Zweck erfüllte.
»So könnt Ihr unmöglich vor die Tür gehen!«, rief Manon entsetzt, als sie mich darin sah.
»Es ist nur ein Mantel, beruhige dich wieder«, erwiderte ich und schlug die Ärmel um.
»Sollen die Leute etwa glauben, Ihr könntet Euch keinen eigenen Mantel leisten? Nein, das geht so nicht!«
»Es wird wohl gehen müssen, oder willst du, dass ich mir in Paris den Tod hole ohne Mantel?«
»Dann müsst Ihr eben hierbleiben und warten, bis Euer Mantel trocken ist.«
»Papperlapapp!« Ich lachte und hielt Manon mein zweites Paar Handschuhe entgegen, das sie misstrauisch beäugte. Auch wenn es ihr nicht gefiel, wie ich herumlief, so war sie doch ebenfalls auf die Stadt gespannt, das sah ich ihr an der Nasenspitze an. Die Aussicht, ohne blaue Finger Paris zu erkunden,
Weitere Kostenlose Bücher