Blutrote Lilien
meine Schwester eine ausgezeichnete Jägerin ist«, wandte sich Henri an d’Épernon, der mich abschätzend beobachtete.
»Wirklich?«
Henri nickte. Endlich hatte er etwas gefunden, mit dem ich glänzen konnte, wenn ich schon den ersten Eindruck bei seinem Idol vermasselt hatte. »Aber ja. Sie besitzt einen sehr schönen weißen Gerfalken, den sie bemerkenswert abgetragen hat. Selbst unsere Jäger in Chantilly haben sie immer mitgenommen. Besonders bei der Krähenjagd, diese Viecher waren im Winter eine große Plage.«
»Dann dürfen wir der Königin auf keinen Fall vorenthalten, welche Bereicherung ihrem Kreis an Hofdamen da zuteil geworden ist, nicht wahr?«
Henri nickte eifrig, dabei bemerkte er gar nicht, dass der Herzog sich über uns lustig machte.
»Vielleicht möchtet Ihr eine kleine persönliche Wette eingehen, Herzog«, sagte ich und sah ihn herausfordernd an. »Man sagt, die Gefolgsleute der Königin wüssten ein interessantes Spiel zu schätzen.«
Einen Moment sah der Mann verblüfft aus. Unsicher blickte Henri zwischen uns hin und her, als wisse er nicht, ob mein Angebot eine Beleidigung für den Herzog darstellte.
Doch dann grinste d’Épernon überheblich. »Wenn Ihr meint, dass Ihr für ein interessantes Spiel garantieren könnt, so wette ich, dass ich vor Euch ein Wild zur Strecke bringen kann. Fünfzig Écus darauf. Das dürfte leicht verdientes Geld sein.«
Bevor ich einschlagen konnte, rief Henri: »Abgemacht!«, und nun sahen der Herzog und ich ihn verwundert an. Ganz gleich, wie sehr Henri sich über mich geärgert hatte, offenbar sah er in der Äußerung des Herzogs die Familienehre verletzt.
Der Herzog gab ihm die Hand, die Wette war besiegelt und Henri beugte sich zu mir, um mir ins Ohr zu flüstern: »Enttäusch mich nicht, Charlotte.« Dann lächelte er, und für einen Augenblick fühlte ich mich ihm so verbunden wie in unseren Kindertagen. Die Streitgespräche der vergangenen Tage schienen auf einmal vergessen.
Die Euphorie über die Wette trieb ihn jedoch zurück in die Menge, als hätte Paris auch ihn mit dieser fröhlichen Unruhe angesteckt, die mich selbst noch vor Kurzem erfasst hatte. Hastig verabschiedete er sich von mir und winkte dem Herzog, ihm zu folgen. Es war mir auch recht, dass er uns nicht begleiten wollte, denn ich brauchte keinen Aufpasser.
Aber statt meinem Bruder zu folgen, blieb der Herzog noch bei mir stehen und sah mich prüfend an. »Ich sah Euch vorhin mit der Herzogin de Montbazon. Ihr solltet besser aufpassen, mit wem Ihr Euch am Hof abgebt, Mademoiselle de Montmorency. Die falschen Leute ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende, aber den Rest konnte ich mir auch denken.
»Möchtet Ihr mir bitte schön erklären, wieso die Herzogin de Rohan-Montbazon zu den falschen Leuten gehört, Herzog?«
»Könnt Ihr Euch das nicht denken?«
»Vielleicht solltet Ihr mir auf die Sprünge helfen. Soweit ich weiß, gehört sie einer alten Familie an, hat bisher eine erstklassige Erziehung genossen und einen tadellosen Ruf. Was könnte Euch also an ihr stören?«
Er antwortete mir nicht, sondern verzog nur mürrisch den Mund. Nicht einmal ein Abschiedsgruß kam mehr über seine Lippen, so verärgert war er über mein Verhalten. Doch das war auch nicht nötig. Der Blick, den er mir über die Schulter zuwarf, als er davonschritt, sprach Bände.
Ich begriff, dass ich mir an diesem Tag keinen Freund gemacht hatte.
- 10 -
Der Tag, an dem die Jagd stattfand, war ein wunderschöner Wintervormittag. Der Himmel war wolkenlos und die Sonne ließ den Schnee glitzern. Es schien, als wolle der Himmel selbst der Königin eine Freude bereiten. Mehrere Dutzend Reiter hatten sich im Hof eingefunden. Ihre Hüte bildeten ein buntes Durcheinander und hier und da kam es zu empörten Ausrufen, wenn eine Hutfeder den Nachbarn ins Auge pikste.
»So haltet doch still!«, rief der Herzog de Longueville seiner Gattin zu, die sich immer wieder auf ihrem Pferd hektisch umsah. Dabei stach sie ihn mehrfach ins Gesicht, bis er ihr wütend die Feder aus dem Hut riss. Empört schnappte sie nach Luft, aber der Herzog schien hochzufrieden darüber, nicht mehr gestochen zu werden.
Der Jagdzug hätte sich schon vor einer Stunde in Bewegung setzen sollen, doch immerzu hatte es Verzögerungen gegeben. Die Pferde scharrten unruhig mit den Hufen, deren Geklapper auf den Pflastersteinen so laut war, dass man sich zu seinem Nachbarn beugen musste, wenn man ihn verstehen wollte. Hier und da hielt
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