Blutrote Lilien
sich eine Dame eine kleine Flasche mit Duftwasser unter die Nase, denn durch die lange Wartezeit hatte mehr als nur ein Pferd die Überreste seiner letzten Mahlzeit auf den Schlosshof plumpsen lassen. In der Luft hing der Geruch von Pferdeäpfeln und verstimmte so manche sensible Nase. Pagen mit grimmigen Mienen rannten zwischen den Pferden hin und her, um mit großen Schaufeln die Sauerei zu beseitigen. Mir machte das Ganze nichts aus, denn ich war durch den Geruch der Falknerei einiges gewöhnt.
Der Stallmeister hatte mir eine braune Stute zugewiesen, die mir recht sanft erschien, und behauptet, dass das Tier gut an die Beizjagd gewöhnt sei. In der Tat rührte sich das Pferd nicht, als ich Mars vorn auf den Sattelknauf setzte. Ich trug neue Lederhandschuhe, die mir Vater anlässlich der Jagd geschenkt hatte. Die breiten Aufschläge reichten bis zu den Ellbogen und schützten mich vor Mars’ Krallen. In das Leder war das Wappen der de Montmorencys geprägt und es besaß die Farbe verblühender Mohnblumen. Die Handschuhe erinnerten mich an das Paar, das Angoulevent trug, daher gefielen sie mir besonders.
Henri saß auf seinem Schimmel neben mir und rutschte im Sattel aufgeregt hin und her. Seine Unruhe übertrug sich auf das Tier, das nervös tänzelte und einen Sprung nach vorn machte, als endlich die Hörner ertönten und sich der Zug in Bewegung setzte. Es begann ein Schieben und Drängeln auf dem Weg durch die Pforte, bei dem der Herzog de Longueville, der neben uns ritt, fast vom Pferd gefallen wäre, hätte Henri ihn nicht am Arm gepackt.
»Herrje, ich werde mir das Genick brechen, noch bevor ich überhaupt einen Fuchs gesehen habe. Welch unrühmliches Ende für mich!«, rief der Herzog, als er wieder fest im Sattel saß und Henri ihm lachend auf die Schulter klopfte.
Mein Bruder machte mit der dunklen Hose und dem tiefblauen Mantel eine gute Figur auf dem weißen Pferd, allerdings gruben sich seine Sporen tief in das Fleisch des Pferdes, das dadurch noch nervöser wurde. Ich schüttelte über so viel Unverstand den Kopf.
Die Königin selbst sah ich nur von Weitem, als wir aufbrachen, aber ich erkannte sie sofort an ihrem Kleid. Es war aus bordeauxfarbenem Brokat und mit den königlichen Lilien bestickt, die nur Angehörige der Königsfamilie in einem solch auffälligen Muster tragen durften. Das mittlere der drei Blütenblätter verengte sich elegant nach oben, während die beiden Außenblätter leicht gekrümmt waren. Die Blumen waren mit Goldfaden gestickt worden, der in der Sonne glänzte und den Eindruck erweckte, die Königin hätte auf ihrem Kleid Goldplättchen anbringen lassen. Zu meiner Enttäuschung verdeckte jedoch ein gelber Hut mit Straußenfedern ihr Gesicht.
Mir fiel auf, dass sie keine besonders gute Reiterin war. Schwerfällig saß sie im Sattel und schien keine rechte Freude zu haben. Warum sie auf die Jagd ging, war mir ein Rätsel, denn die Jagd auf dem Pferd war keine einfache Sache.
Während der Falke aufstieg, musste der Reiter ihm folgen und ihn dabei nicht aus den Augen verlieren. Man hatte praktisch den Blick mehr am Himmel als am Boden. Für ungeübte Reiter war das mitunter sogar gefährlich. Mancher war schon gestürzt, weil er nicht aufgepasst hatte, wohin er sein Pferd lenkte, und einen Ast gegen den Kopf bekam.
In der Menge konnte ich einige bekannte Gesichter ausmachen, den Marschall de Vitry und auch den Herzog d’Épernon, was keine Überraschung war. Eine Überraschung war dagegen, de Bassompierres blondes Haar zu sehen, der neben der Königin ritt. Als ich ihn entdeckte, schlug mir das Herz bis zum Hals. Am liebsten wäre ich auf der Stelle umgekehrt. Aber der Gedanke an meinen Falken ließ mich die Richtung halten. Es wurde Zeit, dass er aufstieg, wenn er nicht krank werden sollte.
Sophie blieb ebenfalls zurück, denn an der Jagd nahmen nur Personen teil, die ausdrücklich dazu eingeladen worden waren. Als ich mich umsah, konnte ich nicht einen einzigen schwarz gekleideten Reiter unter den Teilnehmern der Jagdgesellschaft erkennen. Im Gefolge der Königin fand sich kein Hugenotte.
Henri machte mich allerdings auf eine weitere Person aufmerksam: Leonora Concini, die im Gefolge der Königin ritt. Sie saß besser auf dem Pferd als ihre Herrin, doch auch ihr schien die Jagd keine rechte Freude zu bereiten. Ihre Lippen waren verbissen zusammengepresst, in einem Gesicht mit einer feinen, schmalen Nase und kleinen Augen. Sie hatte sich ein paar dünne Locken in die
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