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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Bett fallen. »Und von mir aus können sie auch ruhig noch weiter warten, ich werde jedenfalls nicht zum Marquis gehen.«
    Mitten in der Bewegung hielt Manon inne. Das Kleid, das sie für mich aus dem Schrank genommen hatte, hing über ihrem Arm. »Das kann nicht Euer Ernst sein.«
    »Und wie ernst mir das ist. Der Marquis glaubt doch nicht wirklich daran, dass ich mich mit ihm zum Tee hinsetzen werde, nachdem ...« Ich sprach den Satz nicht zu Ende, aber Manon verstand auch so.
    Sie schien hin- und hergerissen zwischen dem Befehl, den ihr mein Vater gegeben hatte, und der Tatsache, dass sie den Marquis genauso wenig mochte wie ich neuerdings.
    »Pass auf, du sagst einfach, dass du mich nicht angetroffen hast.« Bekräftigend nickte ich, doch dann fiel mir ein, dass Vater womöglich weiter nach mir suchen würde, wenn er mich im Louvre glaubte, deshalb hob ich die Hand. »Nein, besser noch: Du sagst ihm, dass du gesehen hast, wie ich ausgeritten bin. Mit der Herzogin de Rohan-Montbazon. Dann haben sie keinen Grund, auf mich zu warten.«
    Das schien mir eine gute Ausrede zu sein, schließlich konnte niemand von der armen Manon erwarten, dass sie mir zu Fuß hinterhereilte.
    »Aber der Marquis ist bei Eurem Vater und ...«
    »Der Marquis ist ein lüsterner, alter Bock, den ich nicht zu sehen wünsche«, fuhr ich auf und stemmte die Hände in die Seiten. Manon riss ihre großen braunen Augen auf und knetete die Finger, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war. Dabei wippte sie auf und ab, als wisse sie nicht, ob sie aus dem Zimmer rennen oder versuchen sollte, mich zu überzeugen. Orson hob kurz den Kopf und wackelte mit den Ohren, dann trottete er langsam in die Ecke neben den Kamin, wo er sich niederließ und uns beobachtete.
    Ich deutete mit der Hand auf ihn. »Siehst du, Manon, selbst der Hund will den Marquis nicht sehen.«
    Seit Tagen hinterließ de Bassompierre Botschaften und schickte mir weiterhin Konfekt, als könnten sie mich davon ablenken, dass er eine Affäre hatte, von der der gesamte Hof wusste! Ganz gleich, wohin ich ging, überall folgten mir die hämischen Blicke und das Getuschel. Am Vortag hatte mich die Marquise de Clermont im Park zur Seite genommen, um mir zu raten, ich solle eine Schröpfkur machen, das würde den Kummer vertreiben. Am liebsten wäre ich vor ihrer mitfühlenden Art davongerannt.
    Nein, ich hatte wirklich nicht das geringste Bedürfnis, meinen Verlobten zu sprechen. Ich sah ihn vor mir, wie er selbstgefällig auf dem Sofa saß, Vater ihm gegenüber auf dem breiten Eichensessel, und wie sie darüber sprachen, welche Geschäfte sie gemeinsam nach der Hochzeit abwickeln könnten.
    »Euer Vater wünscht ...«
    »Ja, ja«, unterbrach ich Manons Versuch, mir Gehorsam einzureden. »Ich weiß schon, was du sagen willst, aber versteh doch, dass es mir jetzt ganz unmöglich ist, dem Marquis zu begegnen. Das wäre ... es wäre ...« Es fiel mir kein passendes Wort ein, das Manon nicht die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte, deshalb wiederholte ich nur: »Ausgeritten. In den Park. Kannst du dir das merken?«
    Sie nickte unglücklich und einen Moment lang hatte ich Mitleid mit meiner Zofe, doch dann dachte ich wieder an den Marquis, und die Wut kam zurück. Ohne ein weiteres Wort griff ich nach dem Buch auf dem Bett, das mir Sophie geliehen hatte, und verließ das Zimmer durch eine zweite schmale Tür, die auf einen engen Gang führte, der eigentlich für die Diener gedacht war.
    Meine Flucht blieb unbemerkt. Auf dem Gang waren lediglich zwei Diener zu sehen, die Geschirr fortschafften, die Wangen ganz rot vor Anstrengung. Als ich an ihnen vorüberlief, zeigte sich die Überraschung über meine Hast auf ihren Gesichtern, doch schnell senkten sie die Köpfe. Sonst war niemand vom Hof zu sehen, wahrscheinlich verdauten sie in ihren Zimmern die Ente vom Mittag, die so fett wie Schlachterbrühe gewesen war.
    Schnell lief ich in Richtung Südflügel, hinüber zur Galerie, die die Tuilerien mit dem Louvre verband. Vielleicht fand ich dort ein ruhiges Plätzchen, an dem ich abwarten konnte, bis der Besuch des Marquis in den Gemächern meines Vaters vorüber war.
    Auf halber Strecke begann ich zu frösteln, denn den Mantel hatte ich im Zimmer liegen lassen, und der Winterwind fegte durch die Gänge auf der Suche nach Nasen, in die er zwicken konnte. Das Buch zwischen die Knie geklemmt, löste ich die Haarnadeln und ließ mein Haar hinabfallen, damit es wenigstens den Wind am Hals abhielt.

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