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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Meckerziege und der Tanzlehrer einander kannten? Sie schienen jedenfalls dieselbe Enttäuschung darüber zu teilen, dass wir Schüler uns so ungeschickt anstellten. Aber wie sollte man wie eine Feder schweben, wenn einem das Mieder die Luft abschnürte und die Röcke so schwer waren wie ein ganzer Heuballen? Mein Tanz glich eher einem Schwanken.
    »Ich bin eine Feder ... ich bin eine Feder ...«, murmelte ich vor mich hin – aber ich fühlte mich beim besten Willen nicht wie eine Feder.
    Zum Glück war ich nicht die Einzige, die Schwierigkeiten mit dem Ballett hatte. Elisabeth war dem Tanzlehrer zu langsam, außerdem geriet sie schnell ins Schwitzen, was er mit verärgertem Gemurmel zur Kenntnis nahm und ihr ein Taschentuch entgegenhielt, damit sie sich die Stirn abtupfen konnte.
    »Ihr sollt ja keinen Brunnen darstellen«, sagte er zu ihr, woraufhin sie knallrot anlief.
    Und selbst Mathilde setzte sich einmal auf den Hintern, weil die Holzdielen so glatt waren. Allerdings konnte ich mir ein Lächeln darüber nicht verkneifen.
    Nach einer Stunde Stöhnen, Schnaufen und Schwitzen öffnete sich auf einmal die Tür zu einem Nebenraum und ein Mann trat herein. Ich erkannte ihn sofort. Es war der Kerl mit dem Schnurrbart, der angeblich im Dienst der Leonora Concini stand und mit dem Angoulevent so blutig aneinandergeraten war.
    Vor Schreck blieb ich wie angewurzelt stehen und Mathilde lief in mich hinein.
    »Kannst du nicht aufpassen?«, fuhr sie mich an, doch ich konnte ihr nicht antworten. Gebannt verfolgte ich, wie die Königin das Wort an den Mann richtete.
    »Bonfour, was wollt Ihr hier?« Sie war sichtlich ungehalten darüber, dass ihre Probe unterbrochen wurde, aber Bonfour schien dieser Unmut nicht zu schrecken.
    »Ich habe eine Nachricht für Euch, Majestät.«
    Ungeduldig winkte die Königin dem Tanzlehrer zu: »Fahrt fort mit den Proben, während ich kurz nach nebenan gehe, um mir anzuhören, was Monsieur Bonfour mir mitzuteilen wünscht.«
    Bonfour folgte der Königin. Auf seinem Weg nach draußen warf er einen kurzen Blick auf uns. Als er mich erkannte, runzelte er die Stirn. Sein Blick wurde stechend und mich überzog eine Gänsehaut. Er sah mich an, als könnte er in meinem Gesicht all die Dinge lesen, die ich nicht preisgeben wollte. Hastig schaute ich zu Boden. Dieser Mann war mir unheimlich.
    Was hatte die Königin nur mit ihm zu schaffen? Ob sie wusste, in welche Geschehnisse der Diener ihrer Vertrauten verwickelt war?
    Ich fragte mich, was wohl passiert wäre, wenn ich Angoulevent an jenem Tag in der Falknerei nicht geholfen und die Männer ihn entdeckt hätten. Hätte man seinen Körper dann am nächsten Tag in der Seine gefunden, so wie er behauptet hatte?
    Kurz sah es so aus, als wolle Bonfour etwas sagen, doch dann wandte er sich ab und verließ den Raum. Erleichtert atmete ich aus. Seine Anwesenheit hatte mir die Härchen im Nacken aufgestellt. Ob ihm klar war, dass ich dem Narren in der Falknerei geholfen hatte? Vielleicht hatte er im Nachhinein daran gezweifelt, dass ich wirklich nichts gesehen hatte, und sich gefragt, wie es dem Narren gelungen war, seinen Verfolgern blutend und angeschlagen zu entkommen.
    Doch mir blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn der Tanzlehrer klatschte in die Hände und forderte uns auf, die Hälse gerade zu halten.
    »Ihr müsst Euch recken, in den Himmel, Mademoiselles. Der Kronleuchter ist die Sonne, nicht wahr? Und wir wenden uns hin zu der Sonne ...«
    Die Proben gingen weiter. Nun war ich eine Feder, die sich zur Sonne streckte ...
    »Höher, Mademoiselles, höher!«
    Wenn ich mich noch weiter streckte, würde ich aussehen wie die Gehenkten vor den Toren von Paris! Es war zu albern.
    Es verging eine halbe Stunde, bis die Königin zurückkehrte.
    Als sie eintrat, hatte sich ihre Stirn in nachdenkliche Falten gelegt und sie schien nicht glücklich über die Nachricht, die Bonfour ihr übermittelt hatte. Ihre Anweisungen kamen nur noch zerstreut und sie selbst machte den Eindruck, als hätte sie an diesem Tag die Lust an der Aufführung verloren. Trotzdem schien sie am Ende der Proben einigermaßen zufrieden mit unserer Leistung. Bevor sie den Raum verließ, nickte sie uns wohlwollend zu.
    Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen und der Tanzlehrer die Proben offiziell beendet, ließen sich die Mädchen auf das Parkett fallen wie Soufflés, die zu früh aus dem Ofen kamen. Sofort begann ein lebhaftes Geschnatter und auch ich setzte mich und

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