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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Teil meiner Zeit ein und mehr als einmal wünschte ich dem Tanzlehrer alle schrecklichen Krankheiten an den Hals, die mir einfielen, denn ich hielt ihn für einen rechten Folterknecht. Sobald er das Wort Feder in den Mund nahm, hätte ich am liebsten einen Schuh von meinem schmerzenden Fuß gezogen und nach ihm geworfen!
    Bei meiner Ankunft hatte ich noch geglaubt, Vater würde an jenem besonderen Tag an meiner Seite stehen, wenn es dazu kam, dass ich den König traf. Doch nun würde ich mit elf anderen Mädchen im Ballett der Königin auftreten und war auf mich selbst gestellt. Nicht einmal Sophie konnte mir helfen, denn ihre Vorstellung beim König war bereits Tage zuvor geschehen, während einer Privataudienz ihres Vaters, dem Herzog de Montbazon. Ein einziges Wort hatte der König an sie gerichtet.
    »Entzückend«, sprach er, nachdem er sie angesehen hatte, danach saß Sophie eine halbe Stunde auf dem Schemel und lauschte ihrem Vater und dem König, bis ihr der Hintern eingeschlafen war. Wenn ich mit dem Ballett auftrat, würde Sophie in der Menge stehen und bereits offiziell ein Teil des Hofes sein.
    »Der König ist ein seltsamer Mann«, hatte sie nur gesagt, als ich sie bedrängt hatte, mir alles von ihrer ersten Begegnung mit ihm zu erzählen. Aber sie sagte es nicht boshaft, sondern eher verwundert. »Du glaubst, er sieht dich gar nicht an, und doch weiß er, welche Augenfarbe du hast. Nichts scheint seinem Blick zu entgehen.«
    Mehr war aus ihr nicht herauszubekommen, denn Madame Morens stupste mich wieder einmal mit dem Finger in die Schulter und ermahnte mich aufzupassen. Ihr Unterricht sei schließlich nicht dazu da, dass wir wie Gänse daherschnatterten.
    Ich wünschte, ich wäre eine Gans, dann würde ich sie mit meinem Schnabel in die Wade beißen.
     
    Immer öfter dachte ich an Chantilly und seine weiten Parkflächen, in denen ich gerannt war, ohne dass neugierige Blicke jeden meiner Schritte verfolgten. Ich erinnerte mich daran, wie Henri und ich vor dem Abendessen in der Küche den unheimlichen Geschichten der alten Bertha gelauscht hatten, bis Vater uns hinausscheuchte, weil wir sonst nachts vor Angst nicht schlafen konnten. Vom Rauschen der Blätter, das uns in Chantilly wach gehalten hatte, war im Louvre nichts mehr zu hören. Jene geheimnisvolle magische Welt, von der Bertha zu berichten wusste, schien hier nicht zu existieren, denn im Schein der unzähligen Lampen und Kerzen im Louvre konnten sich keine Feen verbergen.
    Als endlich der große Tag kam, war Vater darüber aufgeregter als ich. Für mich hatte der Hof mittlerweile einiges von dem Glanz eingebüßt, den ich mir ausgemalt hatte.
    »Träumt nicht schon wieder«, sagte Manon, als ich wieder einmal aus dem Fenster starrte. Mit dem Zeigefinger klopfte sie mir sanft auf den Hinterkopf. »Es ist noch so viel zu tun.«
    Peinlich genau inspizierte Vater die Kleider, die die Königin hatte schicken lassen. Jedes der zwölf Mädchen würde das gleiche Überkleid tragen. In feinem weißen Stoff waren goldene Fäden eingewebt und winzige gelbe Perlen bildeten zierliche Blumenmuster, die den Gärten der Tuilerien nachgebildet waren.
    Kritisch runzelte Vater die Stirn, während er den Stoff zwischen den Fingern rieb. »Er ist durchsichtig.«
    »Das ist Gaze und man trägt ein Hemd darunter.« Vater schien nicht überzeugt zu sein, also setzte ich nach: »Die Königin will sicher nicht, dass wir nackt vor den König treten.«
    »Das will ich hoffen, keine Tochter von mir wird nur in diesem Ding«, anklagend zeigte er auf das Überkleid, »vor den versammelten Hof treten!«
    Ich stöhnte und zwinkerte Manon zu. »Das hatte ich nicht vor.«
    »Mhm«, machte er nur und verschränkte die Arme, als wolle er nicht von der Stelle weichen.
    Vater hielt nicht viel von den italienischen Festen der Königin, er nannte sie überzogen und geschmacklos. »Dieses Rumgehopse!«, hatte er ausgerufen, als Henri ihm stolz erzählte, dass die Königin mich in ihr Ballett aufgenommen hatte.
    Finster ruhte sein Blick auf dem Überkleid.
    Manon arrangierte laut Schmuck und Brenneisen auf dem Tisch, doch als Vater sich noch immer nicht bewegte, stemmte sie die Arme in die Hüften und räusperte sich. Das schien Vater aus seinen Gedanken zu reißen. Er sah wohl ein, dass er beim Herausputzen keine Hilfe war, denn er brummte: »Ja nun ... gut, gut ... dann werde ich draußen warten, ja? Sorgt dafür, dass meine Tochter anständig aussieht!«
    »Aber ja. Sie wird glänzen

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