Blutrote Lilien
wahr?«
Wieder einmal sah der Herzog mich an, als wäre ich eine Kakerlake, die auf seinen Schuh gekrochen war, und auch Vater sah aus, als hätte er mir am liebsten die Hand über den Mund gelegt. Nur der König brach in schallendes Gelächter aus und klopfte Vater auf die Schulter.
»Eure Tochter ist nicht nur schön, sondern auch schlagfertig. Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass das Blut ihres Großvaters in ihren Adern fließt.« Noch einmal lachte er, aber mir fiel auf, dass wenige Höflinge mit ihm lachten. Hier und da fiel jemand ein in das Gelächter, aber die meisten sahen betreten zu Boden. Einige wandten den Kopf und ich folgte der Richtung. Ich sah Condé, der starr über die Köpfe der Anwesenden hinwegblickte, und begriff, dass sich die meisten in seiner Gegenwart nicht trauten, über eine Bemerkung zu lachen, die sich auf die Herkunft bezog.
Plötzlich fiel mir siedend heiß ein, dass der Prinz meine verunglückte Referenz gesehen haben musste, wenn er im Saal war.
Großartig , sagte ich mir, als hätte ich mich vor ihm nicht schon genügend lächerlich gemacht .
»Seid willkommen am Hof, Mademoiselle«, sagte der König und zwang meinen Blick zurück zu ihm. »Es freut uns, dass Ihr zu uns gefunden habt. Euer Vogel natürlich auch«, setzte er spöttisch hinzu, und noch einmal wanderte sein Blick über mich, bevor er sich abwandte und weiterschritt, um andere Mitglieder des Hofes zu begrüßen.
Vater schien zufrieden mit mir, auch wenn er über den Knicks den Kopf schüttelte. Jeanne machte mir artig ein Kompliment und Henri flüsterte mir ins Ohr: »Der König mag dich.« Dann scheuchte er mich hinaus, damit ich mich umziehen konnte. »Trödle nicht«, mahnte er. »Es wird erwartet, dass du dich hier noch einmal blicken lässt, schließlich ist das deine Einführung bei Hof. Beeil dich also.«
»Ja, ja«, murmelte ich und bahnte mir meinen Weg durch die Menge.
Draußen auf dem Gang nahm mir der Falknermeister Mars ab und ich rannte aufgeregt die Treppen zu unserem Appartement hoch, in dem Manon mit meinem Ballkleid wartete.
Es bestand aus moosgrünem Damast, auf den mit rotem Seidenfaden komplizierte Blumenmuster gestickt waren. Die Basquine zierte eine Diamantbrosche, deren Fassung aus emailliertem Silber bestand und auf jeder Seite zwei Meerjungfrauen darstellte, die den gelben Stein in ihren Händen hielten. Es war ein Erbstück meiner Mutter, das sie an ihrem Hochzeitstag von Vater erhalten hatte.
Es dauerte fast eine ganze Stunde, bis Manon alle Federn aus meinem Haar entfernt und die Strähnen in breite Locken gelegt hatte. Als ich ihr von meinem verunglückten Knicks erzählte, lachte sie gutmütig und meinte, dass es sicher nichts geschadet hatte, wenn der König mich willkommen geheißen hatte.
Seufzend sah ich aus dem Fenster, während Manon meine Kette schloss. Draußen schimmerte der Schnee im Schein der Fackeln, die den Park beleuchteten. Das war sie also gewesen, meine erste Begegnung mit dem König. Alles in allem konnte ich wohl damit zufrieden sein, dass ich mich nicht während des Balletts auf den Hintern gesetzt hatte. Das war immerhin etwas.
Der Ball war ein rauschendes Fest. Ohne Unterlass spielten die Musiker ihre Melodien, die durch die Türen und Gänge hinaus in die Nacht drangen. Die heiteren Töne der Flöten zogen an den Menschen, bis niemand mehr still stehen konnte. Nicht einmal der Herzog de Mayenne, der doch sonst so steif war wie ein Brett. Selbst Vater wippte mit dem Fuß.
In der Mitte des Saals wirbelten die Tänzer wie Kreisel umher und ihre Röcke bauschten sich auf, als drehten sich dort Blüten und keine Menschen – Blumen aus Samt, Brokat und Damast, mit Perlen und Goldfäden bestickt, und die Edelsteine funkelten wie Tautropfen auf den Kleidern.
»Es ist wundervoll«, sagte ich fasziniert zu Henri, der über meine Begeisterung lachte.
Aber auch ihn schien die Musik zu verzaubern, denn an diesem Abend suchte er keinen Streit mit mir. Zweimal tanzte er sogar mit Jeanne, die daraufhin mit den Diamanten der Damen um die Wette strahlte.
Unablässig liefen die Diener zwischen den Feiernden hindurch. Auf ihren großen Tabletts balancierten sie Schüsseln, aus denen die appetitlichsten Gerüche hervorströmten. Gefüllte Weinblätter, Schinkenrollen, geräucherter Fisch und Käsewürfel füllten die Teller. Wenn die Tänzer erschöpft stehen blieben oder sich an eine Säule lehnten, tauchte wie aus dem Nichts ein Tablett vor ihren Nasen auf,
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