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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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überleben, ohne über meine eigenen Füße zu stolpern. Gequält sah ich auf mein Kostüm hinab. Welch ein Spektakel.
     
    Nachdem sich die Mädchen des Balletts der Königin vor der großen Tür versammelt hatten, die zum Ballsaal führte, dauerte es noch über eine Stunde, bis die Aufführung endlich begann. Wir froren alle entsetzlich; es fehlte nicht viel und ich hätte auf dem Absatz kehrtgemacht. Die Finger meiner linken Hand waren bereits blau angelaufen und ich zitterte so sehr, dass Mars auf meiner Hand unruhig hin und her rutschte. Zum Glück spürte ich seine Krallen durch den gefütterten Handschuh nicht, der mir bis zum Ellbogen reichte.
    Es roch nach Braten, Parfum und Kerzenwachs. Der Geruch des Essens ließ meinen Magen knurren. Seit dem Mittag hatte ich vor Aufregung keinen Bissen mehr hinuntergebracht, was sich jetzt bitterlich rächte.
    Die anderen Mädchen standen zu zweit oder zu dritt und schwatzten aufgeregt, nervöses Gekicher lag in der Luft. Von mir hielten sie wie immer Abstand, was wohl auch an meinem Falken lag, dessen Schnabel und Krallen im Schein der Kerzen gefährlich schimmerten.
    Dieses ganze Theater war für den Falken ungesund, und hätte die Königin nicht ausdrücklich den Wunsch geäußert, mich mit ihm zu sehen, hätte ich ihn nie dieser Situation ausgesetzt. Doch wie die Dinge nun einmal standen, war ein Wunsch der Königin so gut wie ein Befehl. Daher blieb ich an meinem Platz und versuchte, die Unruhe, so gut es ging, zu unterdrücken. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie groß der Saal sein würde oder wie viele Menschen dem Spektakel beiwohnten, aber wenn der ganze Hofstaat anwesend war, so waren es sicher ein paar Hundert.
    Hinter der Tür waren gedämpfte Gespräche zu hören, Gemurmel, und hin und wieder Töne, wenn ein Musiker sein Instrument stimmte. Als endlich Trommeln und Trompeten die Ankunft des Königs verkündeten und sich die Tür öffnete, war ich so erleichtert, weil nun bald alles vorbei sein sollte, dass meine Aufregung darüber, vor dem Hof aufzutreten und den König zu sehen, fast vollkommen verschwunden war. Mit langen Schritten lief ich vorwärts und überholte dabei fast Mathilde, die eigentlich vor mir gehen sollte. Über die Schulter warf sie mir einen bösen Blick zu. Sie dachte wohl, ich wollte mich vordrängeln.
    Rechts und links standen Menschen, dicht gedrängt, und reckten ihre Hälse, um das Ballett besser sehen zu können. Im Gegensatz zum Gang war es im Saal warm, und der Atem der vielen Menschen hatte die Scheiben beschlagen lassen, an denen die Eisblumen tauten. Das Kerzenlicht funkelte in den unzähligen Tropfen.
    Alles verlief jetzt so schnell, dass ich weder Vater noch Henri oder Sophie in der Menge ausfindig machen konnte. Auch sonst entdeckte ich kaum vertraute Gesichter.
    Ob Condé ebenfalls zusah? Als erster Prinz musste er solchen Gelegenheiten eigentlich beiwohnen, aber wer wusste schon, wie genau er das Protokoll nahm.
    Vor lauter Konzentration auf die Schritte und meinen Falken gefror mir das Lächeln im Gesicht. Meine Schuhe waren dünn und aus Seide, und ihre Sohlen rutschten auf dem glatten Marmorboden gefährlich hin und her. Es fühlte sich an wie das Balancieren auf den zugefrorenen Seen in Chantilly. Die Musik nahm ich kaum wahr, ebenso wenig wie die Menge an Höflingen, die uns dabei zusahen, wie wir uns zur Musik bewegten. Ich hob meinen freien Arm und schwang ihn, wie uns der Tanzlehrer gezeigt hatte, dabei wehte das Überkleid sanft hin und her.
    Wir drehten uns in die Richtung um, aus der wir gekommen waren, und ich sah die vier großen Statuen, die den Balkon stützten, unter dem wir eingetreten waren und auf dem nun die Musiker spielten. Es waren riesige Frauenfiguren, deren strenge Gesichter unbeteiligt über die Anwesenden hinwegschauten. Sie sahen aus wie antike Göttinnen, die über die Menschen zu ihren Füßen richteten. Ihr Anblick brachte mich kurz aus dem Takt und hastig musste ich zusätzliche Schritte einfügen, um mich wieder in die Formation einzugliedern.
    Ich würde niemals eine gefeierte Tänzerin werden, so viel stand fest! Das war einfach nicht mein Metier. Hätte Henri doch nur seinen Mund gehalten, dann würde ich jetzt wenigstens nicht hier herumhopsen müssen.
    Durchhalten! , sagte ich mir, du bist eine Montmorency, ihr habt schon Schlimmeres überlebt . Damals zum Beispiel, als sie mir einen Backenzahn gezogen hatten, das war schlimm gewesen! Ich hatte so laut gebrüllt, dass man mich am

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