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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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von dem sie sich bedienen konnten.
    Da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, probierte ich nun von einem Dutzend dieser Schüsseln, denn die Aufregung war verschwunden und hatte einem gewaltigen Hunger Platz gemacht. Manche Speisen waren so exotisch, dass ich nicht einmal ihre Namen wusste, und es kam mir vor, als tanzten die unbekannten Gewürze auf meiner Zunge ebenfalls einen Reigen. Der Saft zerdrückter Weintrauben lief mir an den Fingern hinunter und in meinem Mund vermischte sich der salzige Geschmack von eingelegtem Ziegenkäse mit der Süße eines tiefroten Burgunderweins.
    Als ich in ein Honiggebäck biss, schloss ich für einen Moment die Augen. So muss das Paradies schmecken , dachte ich.
    »Mein Gott, Charlotte, die Leute werden glauben, es mangle dir bei uns an Verpflegung, so wie du die Sachen in dich hineinstopfst.« Spöttisch schaute Henri auf mich herab, aber das machte mir nichts aus.
    Zu köstlich waren all die kleinen Versuchungen, die auf den Tabletts der Diener an mir vorüberzogen.
    »Am Ende wird dich kein Tänzer mehr in die Luft heben können, weil du zu schwer geworden bist.«
    »Ach, sei ruhig. Nimm dir lieber von der Pastete, so etwas hast du noch nie gegessen!«, erwiderte ich.
    Lachend schüttelte Henri den Kopf und reichte mir ein Taschentuch, an dem ich die Finger abwischen konnte. »Wir wollen ja schließlich nicht, dass du auf deinen Tanzpartnern Spuren hinterlässt, nicht wahr?«
    Nachdem ich endlich gesättigt war, schien es Vater an der Zeit, meine Tanzkarte zu füllen. Auf einmal verging keine Viertelstunde, ohne dass er mir einen anderen Höfling vorstellte und mich drängte, mit ihm zu tanzen. Die meisten dieser Männer waren doppelt so alt wie ich und mir fiel auf, dass weder der Herzog d’Épernon noch ein anderer der Männer um die Königin unsere Nähe suchte. Außerdem war unter meinen Kavalieren nicht ein einziger Hugenotte. Ohnehin waren nicht viele von ihnen anwesend. Feste solcher Art waren nicht nach ihrem Geschmack. Sophie sah ich nur kurz, sie winkte mir, konnte aber den Platz an der Seite ihres Vaters nicht verlassen. Auch sie musste sich den Familienverpflichtungen beugen.
    Zwei Stunden später taten mir schon wieder die Füße weh, denn nicht jeder meiner Tanzpartner war ein guter Tänzer und so mancher setzte seinen Fuß statt auf dem Marmorboden auf meinem Fuß ab. Auch das Zählen der Schritte fiel einigen schwer, nachdem sie dem Wein bereits reichlich zugesprochen hatten. Die Gaillarde, ein schneller Tanz im Dreiertakt, erforderte vier kleine Sprünge und einen Abschlussschritt, aber während ich noch zum letzten Sprung ansetzte, war so mancher der Herren schon beim Schreiten. Das führte dazu, dass ich unsanft an der Hand nach hinten gezogen wurde und mehr als einmal Mühe hatte, nicht zu fallen. Vor Anstrengung glühte mein Gesicht und das Atmen im eng geschnürten Mieder fiel mir zusehends schwerer.
    Als ich endlich eine Pause einlegen konnte, stand ich japsend neben Henri und versuchte, Luft zu bekommen. Mit dem Fächer wedelte ich mir zu, trotzdem spürte ich, wie kleine Schweißperlen an meiner Schläfe nach unten rollten.
    Ich trat an eines der großen beschlagenen Fenster und tat, als würde ich in die Nacht sehen. In Wirklichkeit lehnte ich jedoch das Gesicht gegen das kühle Glas. Der Winter küsste mich auf die Stirn und sofort wurde mir wohler. Mit den Fingern malte ich den Mond und die Sterne auf die Scheibe, die man hinter den Eisblumen nicht sehen konnte.
    So stand ich eine Weile, bis Vater meinen Namen rief und mich ermahnte, dem Hof nicht den Rücken zuzuwenden. Seufzend drehte ich mich um und sah mich zu meinem Leidwesen einer Gestalt gegenüber, auf die ich an diesem Abend gern verzichtet hätte. De Bassompierre unterhielt mit weit ausholenden Gesten eine Traube Frauen, die ihn umringten und mit strahlenden Gesichtern zu ihm aufblickten. Hinter ihm stand ein breiter Kerzenständer, dessen Licht sein blondes Haar einem Heiligenschein gleich zum Leuchten brachte.
    Doch wenn ich annahm, dass die Schar seiner Bewunderinnen de Bassompierre davon abhalten würde, mich aufzusuchen, hatte ich mich geirrt. Als ich ihn nach einer Weile auf uns zukommen sah, entschuldigte ich mich hastig unter dem Vorwand, die Kammer der Bequemlichkeiten aufsuchen zu müssen, und zog mich eilig aus dem Ballsaal zurück.
    Draußen auf dem Gang war die Luft angenehm kühl und ein Page in gelber Livree bot mir Wasser an. Dankbar griff ich nach dem Glas.

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