Blutrote Lilien
ihn schwer vorstellbar, dass eine Frau ihn abwies.
»Ihr liebt mich doch gar nicht.«
»Was hat Liebe damit zu tun?«, schnaufte er. »Hier geht es um Politik, und die Verbindung mit Eurer Familie wäre mir nützlich.«
Ich hatte ja geahnt, dass Macht und Einfluss seine einzige Motivation waren, mich zu heiraten, trotzdem schmerzte es, sie aus seinem eigenen Munde zu hören. Umso erleichterter war ich wegen der Auflösung unserer Verlobung. »Nun, Marquis, dann werdet Ihr wohl eine neue Braut finden müssen, die ähnlich nützlich ist«, sagte ich und öffnete die Tür.
Bevor ich sie jedoch hinter mir schließen konnte, vernahm ich seine geflüsterten Worte: »Das wird Euch noch leidtun.«
Als ich noch einmal zu ihm schaute, stand er mit erhobenem Kinn da und der Ausdruck in seinem Gesicht jagte mir Angst ein. Ich musste an das denken, was der Narr mir gesagt hatte. Wie sehr hatte es den Marquis wohl getroffen, dass unsere Verlobung gelöst wurde? Womöglich musste ich mich auch vor ihm in Acht nehmen.
Beunruhigt machte ich mich auf die Suche nach Vater.
- 19 -
Die nächsten Tage zogen wie im Traum an mir vorüber. Der Marquis versuchte mehrmals, mit Vater zu reden, aber der ließ ihm den Zutritt in unsere Appartements verwehren. Für Vater war die Verbindung mit dem Marquis gelöst, was aus ihm wurde, interessierte ihn nicht mehr.
Den Prinzen Condé bekam ich hingegen überhaupt nicht zu Gesicht, er ging mir aus dem Weg, wo er nur konnte. Nur sein Narr leistete mir ab und zu Gesellschaft. Doch auch er konnte meine Laune nicht wirklich heben. Bei jedem lauten Geräusch zuckte ich zusammen und steckte mit meiner Nervosität auch Sophie an, die sich meinetwegen mehrfach beim Sticken in den Finger stach, bis sie seufzend die Nadel aus der Hand legte.
Auf ihre Frage, ob ich in den Prinzen verliebt sei, stotterte ich nur unzusammenhängende Worte, woraufhin sie die Augenbraue hochzog und »Aha« sagte.
War ich denn in Condé verliebt? Sophie schien deutliche Anzeichen dafür zu erkennen. Mein ständiges Erröten, wenn sein Name fiel, oder auch die Blicke, die ihn in der Menge suchten, deuteten ihrer Meinung nach auf einen schweren Fall von Verliebtheit hin. Meiner Meinung nach konnten sie auch auf Geisteskrankheit hindeuten, wenn ich daran dachte, wie sich der Prinz aufführte.
Henri sprach in dieser Zeit so gut wie gar nicht mit mir. Immerfort hatte er wichtige Dinge zu erledigen, die ihn aus dem Louvre führten, und jeder Versuch, mit ihm zu sprechen, scheiterte. Ich wusste, dass er Ausreden erfand, um nicht in meiner Nähe zu sein, und es schmerzte mich, dass mein Bruder es nicht mehr ertrug, im selben Raum mit mir zu bleiben. Offenbar hatte er seine Drohung ernst gemeint. Seine Abweisung machte mir schwer zu schaffen, doch ich konnte nicht mit Vater darüber reden. Er war voll und ganz damit beschäftigt, mit dem König einen Ehevertrag aufzusetzen. Erneut wurde ich Gegenstand eines Geschäfts.
Ich stand in der obersten Etage der Galerie der Könige und versuchte zu begreifen, was mit mir geschah. Durch die großen Fenster der Galerie fielen die Strahlen der untergehenden Sonne und tauchten die Wände in ein rotes Licht. Lange Schatten glitten über den marmornen Fußboden, und wenn sich ein Diener an der Seite bewegte, verdüsterte seine Silhouette die Porträts. Durch das Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel wirkten die gemalten Gesichter seltsam lebendig. Von ihren Plätzen an der Wand schauten sie missbilligend auf uns herab. Eine Gänsehaut überzog meine Arme. Die Menschen auf diesen Bildern waren alle längst tot und es schien mir ein schlechtes Omen, an einem Tag wie diesem zwischen ihnen zu stehen. Nur kurze Zeit war vergangen, seit der König seinen Entschluss kundgetan hatte, mich mit dem Prinzen Condé zu vermählen – und schon fand die Verlobung statt.
Meine Hand ruhte auf Condés Arm, wo der Jesuit Coton sie kurz zuvor platziert hatte. Ich versuchte, in Condés Gesicht zu lesen, der jedoch stur nach vorn schaute.
Pater Coton, der Beichtvater des Königs, war ein kleiner Mann mit einem spitzen Bart und einer hohen Stirn, auf der der Schweiß stand. Immer wieder wischte er sich mit einem Tuch übers Gesicht, während er seine Rede hielt, von der ich in meiner Aufregung kaum etwas verstand.
Um uns herum hatte sich der Hof versammelt. Neben mir standen Vater und der König, auf der anderen Seite die Königin und wie immer der Herzog d’Épernon. Auch Leonora Concini sah ich in
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