Blutrote Lilien
bringt, die Favoritin des Königs zu sein? Ganz zu schweigen von den Geschenken, die der König zweifellos großzügig macht?«
»Was ist es nur an mir, das Euch immer das Schlimmste von mir annehmen lässt? Wieso zieht Ihr nie in Betracht, dass mir andere Dinge wichtiger sein könnten?«
»Ihr seid sehr schön, Charlotte, und wenn Ihr wolltet, würde Euch der Hof zu Füßen liegen.«
Und er? Würde er mir auch zu Füßen liegen? Würde er mir je genug vertrauen, dass in seinen Augen einmal etwas anderes lag als Skepsis? Ich wünschte es mir.
»Ihr täuscht Euch, Prinz. Der Hof ist mir nicht wichtig.«
»Wir werden sehen«, erwiderte er vorsichtig, aber es klang weit weniger anklagend, als ich es von ihm gewohnt war. Während ich ihm in die Augen sah, wurde mir eines bewusst: Es musste mir irgendwie gelingen, sein Vertrauen zu gewinnen, wenn ich jemals sein Herz gewinnen wollte.
Als ich spät in der Nacht endlich das Appartement betrat, rannten zwei Diener wie aufgescheuchte Hühner umher und packten große Koffer, die Vater gehörten. Er selbst saß am Esstisch und schrieb einen Brief. Wie immer war er dicht über das Papier gebeugt, weil er winzige Dinge schlecht sah, und das flackernde Licht der Kerzen tauchte sein Gesicht in Schatten. Schon vor Stunden hatte er sich von den Feierlichkeiten zurückgezogen, nachdem ihm ein Page ein Schreiben aus Chantilly überbracht hatte, und nun sah er müde aus. Tiefe Falten zogen sich um seinen Mund.
Auch Condé war nach unserem Gespräch rasch verschwunden und so war es an mir gewesen, die Glückwünsche entgegenzunehmen. Ich hatte mich mit Menschen herumgeschlagen, deren Namen ich noch nicht einmal kannte, die dafür aber alles über mich zu wissen schienen. Manch einer ließ sich zu einer gehässigen Bemerkung über de Bassompierre hinreißen, aber ich ging nicht darauf ein, denn ich war mir sicher, dass sie noch wenige Wochen zuvor auch über mich so geklatscht hatten. Zum Glück unternahm der Marquis selbst keinen Versuch mehr, mit mir zu reden. Stattdessen trank er einen Becher Wein nach dem anderen und unterhielt lautstark eine Gruppe Frauen, die sich um ihn geschart hatten. Es gab einige erleichterte Gesichter unter ihnen, die sich wahrscheinlich Hoffnungen auf ihn machten, nun wo er wieder frei war. Als sich die Feierlichkeit aufgelöst hatte, war ich erschöpft von dannen gegangen und hatte mich nur noch nach meinem Bett gesehnt. Ich hatte nicht damit gerechnet, noch Licht zu sehen.
Daher beobachtete ich erstaunt das Treiben in unserem Appartement. »Verreisen wir?«
Vater sah auf und legte die Feder zur Seite. »Setz dich kurz zu mir, Charlotte.« Er zog einen Stuhl heran. »Es ist ein ausgesprochen schlechter Zeitpunkt, aber ich muss zurück nach Chantilly. Es gibt Ärger mit den Pächtern. Ich weiß, dass im Moment sehr viel passiert und sich alles anders entwickelt, als es angedacht war, aber so ist es nun einmal und wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen. Jetzt, wo du mit dem Prinzen verlobt bist, wird erwartet, dass du am Hof bleibst. Ich kann dich nicht mitnehmen.«
Der Gedanke, dass ich ganz allein auf mich gestellt war, schien uns beiden nicht zu gefallen. Noch vor kurzer Zeit hätte ich nichts dagegen gehabt, Vaters Kontrolle für eine Weile zu entfliehen, doch nun wäre es mir lieber gewesen, ihn an meiner Seite zu wissen.
»Wann wirst du zurückkehren?«
»Das kann ich nicht sagen. Aber Henri ist ja hier, halte dich an ihn.«
Ich blickte zur Seite, denn ich hatte Vater nichts von unserem Streit erzählt.
»Ich wünschte, ich könnte dich in deine neuen Aufgaben einführen, aber so, wie die Dinge stehen, muss ich zuerst zu Hause ein paar Sachen regeln.« Er griff nach meiner Hand und sah mich an, wie er mich schon sehr lange nicht mehr angesehen hatte. »Ich bin sehr stolz auf dich, Charlotte. Ich gebe zu, es wäre mir lieber gewesen, du hättest den Marquis geheiratet. Auch wenn er gesellschaftlich eigentlich unter uns steht, so hättest du doch glücklich mit ihm werden können. Der Prinz dagegen ist ein schwierigerer Mensch ...« Er schüttelte den Kopf. »Aber eins darfst du nicht vergessen. Durch deine Heirat mit dem Prinzen verbindest du die Linie der Montmorencys mit der der Bourbonen. Condé hat ein Anrecht auf den Thron, du könntest sogar eines Tages Königin werden. Du musst jetzt sehr vorsichtig sein, was du sagst und tust. Noch mehr als vorher.«
Ich nickte, obwohl ich anderer Meinung war, was den Marquis
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