Blutrote Lilien
gebeten hat, fürchtet sie, er könnte sich von ihr scheiden lassen, um Euch zu heiraten.«
»Das ist ja lächerlich!« Dieses Argument kam mir dermaßen absurd vor, dass ich lachen musste, doch niemand stimmte darin ein. »Das kann nicht Euer Ernst sein.«
»Es ist kein Geheimnis, dass Ihr der großen Liebe des Königs sehr ähnlich seht, und mancher befürchtet, dass diese Tatsache den Geist des Königs verwirrt.«
»Aber er hat nie ...« Er hatte nie auch nur eine Andeutung gemacht, die in diese Richtung ging.
»Unglücklicherweise glaubt die Königin den Einflüsterungen der Leonora Concini, dieser Hexe. Sie bestärkt Maria darin, Euch zu hassen. Die Königin hat es dem König nicht verziehen, dass er die Verlobung mit de Bassompierre gelöst hat.«
Condés Arme schlossen sich fester um mich. Er musste gemerkt haben, wie ich schwankte. Das war doch alles Wahnsinn. Waren denn alle verrückt geworden?
»Die Königin befindet sich in einer Zwickmühle. Solange Ihr nicht verheiratet seid, glaubt sie, dass der König Euch heiraten könnte. Und seid Ihr erst einmal mit dem Prinzen verheiratet, formt sich eine neue Allianz am Hof. Wenn es zu dieser Hochzeit käme, wäre es für ihr Eingreifen zu spät, denn dann bestünde das Bündnis zwischen Euren Häusern bereits.« Der Narr schwieg.
Wenn es stimmte, was er sagte, dann war mein Tod für die Königin und ihre Verbündeten von Vorteil.
Condé fasste mich an der Schulter und drehte mich zu sich, damit ich ihm ins Gesicht sah. »Charlotte, Ihr könnt nicht hierbleiben. Wenn Ihr am Hof bleibt, wird man versuchen, das zu Ende zu führen, was man heute begonnen hat. Aber der König wird Euch nicht die Erlaubnis geben, den Hof zu verlassen, dazu ist er viel zu sehr in Euch vernarrt.«
»Ihr meint, ich soll fliehen?«
Er nickte.
»Ich würde gegen königlichen Befehl handeln!«
»Er wird Euch begnadigen, wenn Ihr das tut, was er sich wünscht.«
»Und das wäre?«
»Mich zu heiraten.« Einen Augenblick sah er mich abwartend an. »Wir werden gemeinsam fliehen, nach Chantilly zu Eurem Vater. Dort werden wir heiraten. Ist das erst einmal geschehen, hat die Königin keinen Grund mehr, Euch zu töten. Der König wird eine Weile toben, aber das ist allemal besser, als hierzubleiben und darauf zu warten, dass die Concini mit ihren Plänen erfolgreich ist. Euer Vater wird das verstehen.«
Ungläubig starrte ich ihn an. Meinte der Prinz ernst, was er da sagte? Er hatte sich doch mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, mich zu heiraten. Und jetzt wollte er sogar gemeinsam mit mir fliehen?
»Warum wollt Ihr das tun?«
Der Prinz sah zur Seite. »Es ist die einzige Möglichkeit, damit Ihr am Leben bleibt.«
»Und was ist mit Manon? Soll ihr Tod ungesühnt bleiben?« Der Gedanke daran machte mich zornig.
»Nichts bleibt ungesühnt, Teuerste«, erwiderte Angoulevent. »Jede Untat kommt irgendwann auch ans Licht. Doch im Moment ...« Traurig schüttelte er den Kopf. »Wenn es um das Wohl des Königreiches geht, galt schon immer die Devise, dass das Wohl des Einzelnen nicht zählt. Schon gar nicht das einer Zofe. Der König kann es sich nicht leisten, die Monarchie zu erschüttern, indem der Königin Beteiligung an einem Mordkomplott vorgeworfen wird. Die Sühne, die Ihr sucht, muss warten, denn wenn Ihr sie jetzt verfolgt, können wir nicht mehr für Eure Sicherheit garantieren.«
Die Schuldigen sollten ungestraft bleiben?
Condé griff nach meiner Schulter und drehte mich zu sich, damit ich ihn ansah. »Ihr müsst verstehen, Charlotte, dass es jetzt erst einmal nur darum geht, Euch am Leben zu erhalten. Mehr können wir nicht tun.«
Die Angst legte sich wie eine Klammer um mein Herz. Fühlte sich so der Reiher, wenn er am Horizont den Falken aufsteigen sah, der unnachgiebig Jagd auf ihn machte?
»Heute Nacht können wir nicht mehr fliehen«, sagte Condé. »Der Obersthofmeister hat längst die Tore geschlossen und geht mit seinen Leuten auf Patrouille. Vor morgen früh, wenn sich die Tore wieder öffnen, können wir nicht aus dem Louvre hinaus. Ihr müsst zurück. Wenn die Diener merken, dass Ihr fort seid, wird man Euch suchen lassen.«
Angoulevent mischte sich ein. »Ich werde Euch zwei meiner besten Männer an die Seite stellen, die in dieser Nacht auf Euch aufpassen.«
»Aber was ist mit ...?«
Mir graute bei dem Gedanken daran, in jenes Zimmer zurückzukehren, in dem Manon lag und so qualvoll gestorben war.
»Wenn sie merken, dass sie ihr Ziel verfehlt
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