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Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jackson Pearce
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und pumpte dasselbe Blut durch die Adern. Doch das war vor dem Angriff. Seither verbinden sich unsere Herzen nur, wenn wir jagen, wenn Scarlett mich voller Freude anblickt, die stärker ist als ihre Narben, und dann einem Fenris nachweint, obwohl ihr Leben von seinem Tod abhängt. Ich folge ihr, und zwar immer, weil dies die einzige Zeit ist, in der unsere Herzen in perfekter Harmonie schlagen. Die einzige Zeit, in der ich mir ohne den Hauch eines Zweifels sicher bin, dass wir eine Person sind, die in zwei zerbrochen wurde.
    Als ich die Bushaltestelle endlich erreiche, blicke ich auf die Uhr – wenn die Busse heute pünktlich sind, liege ich perfekt in der Zeit. Ich setze mich in den Klee und suche nach einem vierblättrigen Kleeblatt. Um mich durch die Blätter zu wühlen, benutze ich eines meiner Messer. Dabei frage ich mich, was Silas wohl gerade macht, in dem großen, leeren Haus. Ich könnte ihn besuchen gehen … Aber da rollt der Bus heran, in einer Wolke aus Staub und Abgas, die mir die Sicht raubt. Die Fahrerin mustert mich neugierig. Ich kann mir denken, dass sie sich jedes Mal wundert, wo ich herkomme, aber sie fragt mich nie. Direkt nach dem Angriff waren die Leute beunruhigt, aber Mama und Pa Reynolds haben ihre Sorgen zerstreut. Ich glaube, die Leute meinen immer noch, dass sich einer von ihnen um uns kümmert. Falls sie überhaupt an uns denken, die Leute.
    Ich wähle einen Sitz weiter hinten, ein Fahrgast unter wenigen. Nach 15 Minuten weichen die langen Gräser frisch gepflügten Feldern, dann folgen verstreute Wohnsiedlungen und schließlich die Innenstadt von Ellison. Der Bus bremst scharf ab, die Druckluftbremse schreit auf, die Fahrerin öffnet die Tür und lässt sich in ihren Sitz zurückfallen. Die dauerhäkelnde Frau steigt aus, gefolgt von ein paar Passagieren vom Typ Bergbewohner, und schließlich trete auch ich hinaus auf die warme Straße.
    In der Stadt ist kaum was los, aber einige Familien schieben Kinderwagen vor sich her, und ein paar Frauen mittleren Alters machen Schaufensterbummel. Ellison zählt zu den Städten, die nach Sonnenuntergang ziemlich zwielichtig werden: Aus BBQ -Restaurants werden Bars, Cafés verwandeln sich in Clubs, und natürlich ist die Dunkelheit auch die Zeit der Monster.
    Mein erster Weg führt mich zum Lebensmittelladen – Eier, Milch und Nudeln, dann noch eine Tafel Schokolade und Mehl, um Kekse für unseren Filmabend zu backen. Als Nächstes ist die Videothek dran, dann die Drogerie. Am liebsten würde ich
Die Hochzeit meines besten Freundes
ausleihen, ich will aber nicht so grausam zu Scarlett sein. Sie wird zumindest die Kampfszenen in
Die Braut des Prinzen
mögen.
    Die Drogerie in Ellison war einst ein kleiner Laden in Familienbesitz, bis CVS vor einigen Jahren ein riesiges rotes Logo auf das uralte Holz montierte und aus der einfachen Drogerie eine Art Mini-Markt machte, komplett mit automatischen Türen und Kundenkarten. Ich gehe in den Erste-Hilfe-Gang und dann direkt zur Kasse. Es ist wirklich erstaunlich, dass der Angestellte meinetwegen noch nicht die Polizei gerufen hat. Wer sonst kauft hier elf Packungen Verbandsmaterial, und zwar alle zwei Wochen? Aber es gibt einige unentbehrliche Dinge, wenn man Jäger werden will: Wasserstoffperoxid, behelfsmäßiges Wundnahtgarn und
viel
Verbandsmaterial. Die Fenris wissen, wie man auf die Stellen zielt, die am meisten bluten, deshalb ist Verbandszeug um die Blutung zu stoppen, lebensnotwendig. In meiner Tasche krame ich nach dem restlichen Geld. Heiteres Gelächter lenkt mich auf halbem Weg zur Kasse ab. Es stammt von einer Gruppe Mädchen, ungefähr in meinem Alter, die sich in der Make-up-Abteilung versammelt haben. Sie werfen dem Kassierer vieldeutige Blicke zu, probieren pink- und lilafarbenen Nagellack aus, kichern sich gegenseitig an und halten ihre Hände ins Licht. Eine von ihnen kenne ich, Sarah Worrell. Wir waren Freundinnen in der Mittelschule – in dem Jahr, ehe ich abgegangen bin, nur ein paar Jahre nach dem Angriff. Ich wusste, dass Scarlett derweil zu Hause übte, Wölfe zu töten, und konnte es nicht ertragen, sie allein zu lassen. Nach dem Sommer ging ich einfach nicht mehr zurück in die Schule, erzählte ein paar Freunden die Mär vom Hausunterricht und kam gerade noch mal davon, als besorgte Eltern und die Stadtverwaltung uns überprüften. Ich versuchte mit jedermann in Kontakt zu bleiben, und dennoch: Es ist schon erstaunlich, wie schnell aus Freunden Fremde werden, wenn man

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