Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jackson Pearce
Vom Netzwerk:
Neonreklamen, auf denen Wörter wie »Apfelkuchen!« und »Spezial-Rösti!« aufblinken. Wir schlüpfen in ein Separee. Eine Bedienung mit mehr Lücken als Zähnen grinst uns an und fragt nach unseren Wünschen.
    »Für mich nur eine Tasse Kaffee. Du, Rosie?«
    »Einen Kakao«, antworte ich mit einem abfälligen Blick auf Silas. Er lacht, als die Bedienung davoneilt. Dann: Stille. Silas ordnet die Salz- und Pfefferstreuer auf dem Tisch neu an, und ich tue so, als würde ich die Geschichte des Restaurants in der Karte durchlesen.
Genau.
    »Also«, platze ich heraus, ein bisschen lauter, als ich eigentlich wollte. »Ich denke mal, du hattest nicht besonders viel Zeit zu Hause, oder? Kaum zurück aus Kalifornien, und nun sitzt du mit uns hier fest?«
Zittert meine Stimme?
Ich glaube, meine Stimme zittert.
    »Ich würde es kaum festsitzen nennen«, sagt Silas mit einem verwirrenden Lächeln. »Aber du hast recht. Ich sollte mal richtig Urlaub machen. In San Francisco war ich damit beschäftigt, Lebensmittel für Jakob zu kaufen und Schuldgefühle zu haben, dass ich dich und Scarlett ganz allein in Ellison zurückgelassen habe. Ich hab keinen Urlaub mehr gemacht, seit ich … seit meinem siebten Geburtstag nicht, denke ich. Mein Vater nahm uns damals alle mit zu einem abgelegenen Strand in der Nähe von North Carolina, einen ganzen Monat lang.«
    »Das hört sich toll an«, antworte ich ein bisschen neidisch. Ich war niemals wirklich im Urlaub.
    Silas lacht. »Das war es zuerst auch. Aber wenn ich abgelegen sage, dann meine ich abgelegen. Wenn man
niemanden
hat als seine acht Geschwister, dann wird es nach einer Woche langweilig.«
    »Das verstehe ich absolut«, sage ich mit einem Lächeln.
    »Obwohl ich zugeben muss«, setzt Silas nach, den Blick auf die Straße gerichtet, »dass ich sie mehr vermisse, als ich je für möglich gehalten hätte. Da ist ein größerer Unterschied zwischen ›sich kaum sehen, weil man so weit voneinander entfernt lebt‹, und ›sich kaum sehen, weil man Streit hat‹, als man denken würde.«
    »Sie sind einfach nur sauer«, biete ich an. »Sie werden mit der Zeit darüber hinwegkommen.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Er nickt. »Es ist, weil sie Pa so in Erinnerung haben, wie er früher war. Voller Leben und Energie, wie er mit den Baumgeistern redet oder was auch immer. Sie denken, ich hätte das Haus von einem gesunden Mann übernommen und akzeptiert. Die Wahrheit ist … ich bringe es nicht über mich, ihnen zu sagen, dass ich der Letzte war, den er vergessen hat. Er hat sie alle vergessen und schließlich … auch mich.« Silas dreht eine Serviette auf dem Tisch herum und atmet schwer aus.
    »Es ist, als wäre er schon … ähm … gegangen, oder?«, frage ich vorsichtig und lege eine Hand auf seine, um die sich drehende Serviette zu stoppen. Als ich seinem Blick begegne, wird mir bewusst, dass wir uns berühren. Schnell ziehe ich die Hand weg, aber Silas lächelt.
    »So ziemlich. Er ist einfach dieser Typ, der aussieht wie mein Vater und der ein paar seiner alten Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen hat. Es ist nicht so, dass es meine Geschwister nicht
interessieren
würde. Sie sind bloß alle so beschäftigt mit ihrem eigenen Leben. Aber Jakob und ich … ich glaube, wir waren nicht so geschäftig wie der Rest von uns.«
    »Das ist doch gut«, erwidere ich und bekämpfe den Drang, meine Hand wieder auf seine zu legen. Wieso habe ich sie weggezogen? Was stimmt nicht mit mir? »Was wäre denn, wenn du gemeinsam mit deinen Freunden von der Highschool aufs College gegangen wärst? Wer hätte sich dann um deinen Vater gekümmert? Ich …« Ich halte inne, setze neu an. »Scarlett und ich hätten das natürlich gemacht, aber … das ist sicherlich nicht das Gleiche.«
    »Stimmt. Mein Leben wäre ganz anders verlaufen, wenn ich zusammen mit meinen Brüdern Waldarbeiter geworden oder mit meinen Freunden zur Uni gegangen wäre.« Er macht eine Pause. »Zu meinem Glück bin ich diesen Fallstricken ausgewichen und jage stattdessen Wölfe.«
    »Zu unser beider Glück«, antworte ich lächelnd.
    Die Bedienung kommt wieder und stellt eine Kaffeetasse hin, die aussieht, als wäre sie aus unserem dreckigen Apartment geplündert. Dankenswerterweise macht das Glas mit meinem Kakao den Eindruck, als wäre es gespült worden. Zumindest das. Silas schüttelt ein paar Zuckerpakete in seine Tasse und wechselt das Thema. »Also, hast du das Kulturzentrum gesehen, von dem ich erzählt

Weitere Kostenlose Bücher