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Blutrote Sehnsucht

Blutrote Sehnsucht

Titel: Blutrote Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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oder mit Furcht, mit Wut oder mit wilden Spekulationen – in der Taverne wurde jedenfalls den ganzen Tag lang über nichts anderes gesprochen. Natürlich verdächtigten die Leute ihn, den Fremden, aber damit hatte er gerechnet.
    »Was macht er eigentlich in unserer Gegend?«, zischte eine Frau. »Ich glaub keine Sekunde lang, dass er ein Haus zum Mieten sucht.«
    »Er ist gerade mal zwei Tage hier, und Molly wird ermordet. Und auf so grausige Art«, erwiderte ein Mann. »Und jetzt ... das .«
    »Ich wüsste gern, wo er da war.« Das war Watkins, der Wirt der Schenke.
    »Dann geh doch hin und frag ihn mal!«, rief eine Frau und lachte gackernd.
    Ein kurzes Schweigen entstand, dann brach der ganze Schankraum in Gelächter aus.
    »Andererseits – was wusste der schon von dem Jagdhaus? Wo es doch drüben in Winscombe liegt.«
    »Er hätte sich danach erkundigen können.«
    »Frag Pillinger. Er hat den Mann herumgeführt.«
    »Mit Pillinger hab ich schon gesprochen.« Das war wieder der Wirt. »Er sagt, er hätte ihm das Jagdhaus nicht gezeigt. Wozu auch? Es ist nicht zu vermieten.«
    Das ließ die anderen innehalten. Jedoch nur vorübergehend.
    » Sie kennt das Jagdhaus.« Stephan erkannte Jemmys dünne Stimme. »Es gehört ihr ja.«
    Stephan umklammerte die Armlehnen des Sessels und beugte sich vor. Sie verdächtigten Miss van Helsing? Als könnte ein so zartes Persönchen wie sie vier starke Männer ermorden!
    »Ich glaube kaum, dass sie zu so was in der Lage wäre, was ich dort unten gesehen hab. Als sie Mrs. Stoadright rüberschickten, um sauberzumachen, ist sie umgekippt.« Wieder brachte Watkins die anderen vorübergehend zum Schweigen. »Ich weiß nicht, woher sie jemanden kriegen sollen, um all das Blut aufzuwischen und ... die Körperteile wegzuschaffen.«
    »Tja ...«, sagte Jemmy zögernd. »Wer weiß schon, was eine Hexe so alles zustande bringt. Seht doch nur, was sie mit mir gemacht hat! Die Seele hat sie mir geklaut.«
    »Jetzt tu bloß nicht so, als hättest du ’ne Seele gehabt, Jemmy Minks!«, rief die Frau mit dem gackernden Lachen.
    »Seine Seele war so klein, dass sie in ’ne Hand reinpasste«, krächzte eine andere.
    »Der Doc sagt, sie wäre in ’ner Tran ... Trangs oder so was. Das is’ so ähnlich wie ’ne Ohnmacht. Vielleicht ist es passiert, als sie sie ermordet hat.« Jemmys Theorie stand auf schwachen Füßen, aber er hatte wieder die Aufmerksamkeit seines Publikums.
    »Vielleicht hatte sie ja Hilfe. Sie und dieser Fremde wirkten fast wie richtig gute Kumpel in der Nacht, als es Molly erwischte«, warf jemand anders ein.
    »Unter ›mysteriösen Umständen‹, wie es hieß.«
    »Er sieht jedenfalls ganz schön stark aus.«
    »Und diese Augen!«
    »Er geht tagsüber nie vor die Tür ...«
    »Vielleicht ... vielleicht haben die beiden sie alle begangen – die Morde, meine ich.«
    »Die Bow Street Runners werden es herausfinden«, sagte eine der Frauen entschieden. »Aber jetzt muss ich los. Ich will schließlich nicht auch noch umgebracht werden.«
    Mehrere andere stimmten ihr zu. Dann kündigten schlurfende Geräusche den allgemeinen Aufbruch an.
    »Verdammt, Peg!« Watkins ließ einen Bierkrug auf den Tresen krachen. »Ich kann ihn nicht eher vor die Tür setzen, bis die Runners kommen, um mich zu unterstützen. Aber bis dahin macht er mir zumindest das Geschäft kaputt«, ereiferte sich der Wirt weiter.
    Stephan konnte in der Tat noch nicht verschwinden. Doch der Boden könnte bald schon ganz schön heiß für ihn werden.
    Kloster Mirso,
März 1820
    Rubius’ Töchter erschienen kurz nach Sonnenaufgang, mit mehreren Mönchen im Schlepptau, die Stephan losketteten und zu seinem Erstaunen auf den Gang hinausführten. Er hatte diesen Raum seit Monaten nicht mehr verlassen. Die kleine Prozession schlängelte sich schweigend viele kurvige Steintreppen hinauf. Sie begegneten niemand anderem, weshalb Stephan vermutete, dass dies hier ein unbenutzter Teil des Klosters war. Schließlich erreichten sie eine einzelne Tür und betraten durch sie einen kleinen, ganz aus Stein gehauenen Raum.
    Noch außer Atem von dem Anstieg, blickte Stephan sich verwundert um. War dies etwa der Raum, in dem sie ihn bestrafen würden? Er war mit bequemen Sesseln, Büchern, einem Schachbrett, den üblichen Wandbehängen und Teppichen ausgestattet. Aber er hatte keine Fenster. Ein guter Ort, um die hellen Tagesstunden zu verbringen. Und bis auf die Leiter in der Ecke, die zu einer Luke in der Decke führte, ein

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