Blutrote Sehnsucht
Sie ja beide darin verwickelt«, überlegte Steadly laut, während er das Mädchen prüfend musterte. »Es heißt, Sie verfügten über ... gewisse Fähigkeiten.«
»Miss van Helsing hat nichts mit der Sache im Jagdhaus zu tun«, erklärte Stephan ganz entschieden.
»Ich neige dazu, Ihnen zuzustimmen, da diese Tat außergewöhnliche Kraft erforderte«, bemerkte Steadly. »Und ich bin normalerweise kein leichtgläubiger Mann. Aber ...« Sein Blick glitt hin und her, als erinnerte er sich an die Szene in dem Jagdhaus, und alle Farbe wich aus seinen Wangen.
»Nehmen Sie beide zum Verhör mit«, schlug Van Helsing vor. »Es gibt eine zweite Zelle hinter dem Rathaus.«
Stephan wusste, dass er an diesem Punkt keine Wahl mehr hatte. Er konnte nicht zulassen, dass Miss van Helsing für sein Verbrechen eingesperrt wurde. »Ach, jetzt haben Sie mich erwischt«, sagte er seufzend. »Ich gestehe alles.«
Ann sah ihn mit ungläubiger Miene an. »Unterlassen Sie das, Mr. Sincai.«
Van Helsing triumphierte, und Steadly sah ungemein zufrieden mit sich aus. »Dann kommen Sie«, sagte er mit gewichtiger Stimme, als wäre er der Richter.
Stephan nickte.
Miss van Helsing begann zu protestieren, blinzelte ein paar Mal und brach dann ohnmächtig zusammen.
Sofort wollten Mr. Watkins und mehrere der Zuschauer ihr zu Hilfe eilen.
»Fassen Sie sie nicht an!«, befahl Stephan mit so viel Suggestivkraft in der Stimme, wie er aufbringen konnte. Alle blieben wie angewurzelt stehen. Stephan nahm ein Handtuch vom Tresen und drängte sich an Erich van Helsing vorbei. Er kniete sich neben Ann und fächelte ihr mit dem Handtuch Luft zu, die ihr die hellen Locken aus der Stirn trieb. Nie hatte sie so ätherisch schön ausgesehen wie in diesem Moment. »Bringen Sie mir Wasser, Mann!« Der Wirt rannte wie von der Tarantel gestochen los. »Und du holst ein Kissen, Junge«, schrie Stephan dem Hausdiener zu.
»Wer hat denn Ihnen die Verantwortung übertragen?«, beschwerte sich Van Helsing.
»Seien Sie still und treten Sie zurück!«, ordnete Stephan an. »Miss van Helsing?«, sagte er dann leise und fuhr fort, das Handtuch zu schwenken, um ihr Luft zu verschaffen. Warum war sie hierhergekommen, wenn sie noch so schwach war? Hatte sie ihn vor Steadly und und ihrem Cousin warnen wollen? Sie musste doch wissen, dass sie ihn nicht halten konnten. Was kümmerte es ihn, ein paar Stunden in einer Gefängniszelle zu verbringen? Sowie es dunkel wurde, würde er entkommen.
Ann van Helsings Lider flatterten. Der Wirt hielt Stephan einen Becher hin, und er konnte riechen, dass er mit Wasser gefüllt war. Der Hausdiener kam mit einem Kissen angelaufen. »Miss van Helsing?«
Sie blinzelte und blickte mit ihren klaren grauen Augen zu ihm auf. Er konnte sehen, wie sie einen weichen Ausdruck annahmen. Mühsam hob sie den Kopf ein wenig an, und Stephan schob das Kissen unter ihren Nacken und stützte sie damit, während er ihr den Becher an den Mund hielt. Sie verzog das Gesicht, als ihre Lippen das Metall berührten. Konnte sie die anderen spüren, die daraus getrunken hatten? Aber sie nippte immerhin daran. Er zog den Becher zurück, und sie seufzte. Dann erschien wieder die besorgte kleine Falte zwischen ihren Brauen.
»Sorgen Sie sich nicht«, sagte er mit leiser Stimme. »Jennings wird Sie nach Maitlands zurückbringen.« Dann erhob er den Blick zu Van Helsing. »Und Sie halten sich von ihr fern, oder Sie werden es mit mir zu tun bekommen.«
»Gehen Sie jetzt, Mr. Sincai«, flüsterte sie eindringlich.
Stephan versuchte, ein kleines Lächeln aufzusetzen, und hoffte, dass es ein beruhigendes war. »Jetzt gleich?« Er sah sich um und schüttelte den Kopf. »Nein, das werde ich nicht. Können Sie sich setzen?«
Sie nickte, und er schob die Hände unter das Kissen, um ihr zu helfen. »Er weiß Bescheid«, raunte sie nur für ihn hörbar.
»Das sehe ich. Jennings«, rief er, und der Mann erschien sogleich durch die Tavernentür. »Bringen Sie Miss van Helsing heim!« Jennings machte einen Diener, und Stephan schob das Kissen tiefer, um Ann beim Aufstehen zu helfen.
Ein störrischer Ausdruck erschien auf ihrem bezaubernden Gesicht. »Ich gehe nicht eher, bis ich weiß, wohin sie Sie bringen werden.«
»Nun, dann kommen Sie doch mit!«, sagte Steadly und nahm die bedrohlich klirrenden Handschellen von seinem Gürtel.
Stephan schob die Ärmel seines Rocks hinauf und hielt Steadly beide Handgelenke hin, der das kalte, schwere Eisen um sie schloss. Ann van
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