Blutrubin Trilogie - Band 1: Die Verwandlung (German Edition)
in Regalen, die bis unter die Decke reichten und überall standen kleine Tische mit Leselampen. Ich bewegte mich in diesem Film auf eines der Regale zu, zog die lange Leiter zu mir und stieg bis ganz nach oben. Ich versuchte mich dagegen zu wehren, doch es war als habe ich keine Kontrolle mehr über meinen Geist. Dann wanderte mein Blick über die verschiedenen Buchrücken, bis meine Augen auf einem ganz bestimmten Exemplar verweilten, dass die Aufschrift "Steuergesetz 1785 – 1793" trug. Das Buch war so hell, als würde es von innen herausleuchten und angesichts der Helligkeit musste ich automatisch einige Male blinzeln. Gerade als sich meine Hand zu diesem Buch bewegte und ich es herausziehen wollte, riss der Film und verblasste.
Schwer atmend sah ich zu James, doch bevor er mir eine Frage stellen konnte, stöhnte Leam und riss seine Augen weit auf.
»Leam, mein Freund«, flüsterte James und beugte sich dicht zu ihm. »Wer hat dir das angetan?« Leam öffnete den Mund und wollte etwas erwidern, doch außer einem Schwall Blut, der an seinem Mundwinkel herunterlief, blieb er stumm. Dann bäumte sich sein Körper ein letztes Mal auf, um anschließend für immer zu erschlaffen und sein Kopf fiel leblos zur Seite. James Augen weiteten sich und er packte seinen Freund erneut an den Schultern und schüttelte ihn so heftig, dass dessen Kopf immer wieder hart auf die Tischplatte schlug.
»Nein, das kannst du mir nicht antun. Du darfst nicht einfach sterben, hörst du!«, rief er. Verzweifelt versuchte ich James zu beruhigen und legte ihm meine Hand auf die Schulter, doch er beachtete mich nicht. Stattdessen zerrte er noch immer an seinem Freund, so als würde dieser aufwachen, wenn er ihn nur kräftig genug schüttelte.
»Er ist tot«, schrie ich ihn an und mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, drehte ich ihn zu mir, so dass er mich ansehen musste. Dann schob ich James einige Schritte nach hinten und drückte ihn in einen speckigen, braunen Ledersessel. Augenblicklich sackte er in sich zusammen und schlug die Hände vor das Gesicht.
»Er war mein bester Freund«, schluchzte er und Tränen liefen ihm über die Wange. Ich wusste nicht recht, wie ich reagieren sollte, und strich ihm beruhigend über das Haar. Am liebsten hätte ich ihn in die Arme genommen, doch aus Angst vor einer eventuellen Zurückweisung, tat ich es nicht. Dann erinnerte ich mich wieder an diesen seltsamen Film, der sich in meinem Kopf abgespielt hatte.
»Als ich Leam berührt habe, sah ich plötzlich verschiedene Bilder vor mir.« James hielt inne und sah auf.
»Kann es sein, dass du eine Vision hattest?«, fragte er und wischte mit den Handrücken über seine feuchten Wangen.
»Naja, ich weiß nicht, ob man es eine Vision nennen kann, aber alles spielte sich vor mir ab, wie eine Art Film.« Dann berichtete ich ihm, was ich gesehen hatte. Als ich meine Ausführungen beendet hatte, kratze er sich nachdenklich am Kinn.
»Ich selbst habe nur einmal von einer solchen Fähigkeit gehört, aber anscheinend hast du die Gabe der Visionen«
»Gabe? Was redest du denn da? Welche Gabe?«, wollte ich wissen.
»Ich habe dir doch erzählt, dass es möglich ist, dass du einige neue Fähigkeiten bekommst.« Ich musste einen recht dümmlichen Gesichtsausdruck an den Tag gelegt haben, denn nun verzog James die Lippen und deutete auf meinen Hals.
»Durch den Biss und das Blut von Balthasar.«
»Du meinst also ich habe jetzt immer Visionen, sobald ich jemanden berühre?«, fragte ich beunruhigt. Bei dem Gedanken fühlte ich mich nicht gerade wohl. Ich würde niemals wieder in eine U-Bahn steigen können, wo Menschen dicht aneinander gepresst standen, ohne bei deren Berührung eine Vision zu riskieren und an einen Schlussverkauf war schon gar nicht zu denken.
»Nein, Visionen tauchen nur dann auf, wenn dir jemand etwas mitteilen will und dies nicht auf dem normalen Weg möglich ist«, erklärte er mir. Ich atmete erleichtert auf, denn diese Neuigkeit beruhigte mich ein wenig. Unterdessen hatte sich James Blick wieder auf seinen toten Freund gerichtet und der Schmerz in seinen Augen, tat mir fast körperlich weh. Ohne ein Wort zu sagen, stand er auf, nahm eine Wolldecke von der Ledercouch und ging zu Leam, um seinen Leichnam damit zu bedecken. Genau in diesem Moment ertönte eine schrille Frauenstimme und ich zuckte erschrocken zusammen.
»Master James ist wieder hier.« Ich fuhr herum und sah zu der molligen Frau, die in der Tür stand und beide Hände
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