Blutrubin Trilogie - Band 2: Der Verrat (German Edition)
Geschichten über Sagen oder Mythen anzuhören. Einen kurzen Moment sah er mich verdutzt an, dann zuckte er mit den Achseln.
»Wie ich eben schon erwähnte, haben wir ein Buch gefunden, in dem etwas über die Macht des Blutes geschrieben steht.«
Ich setzte mich auf und sah ihn erwartungsvoll an, doch diesmal unterbrach ich ihn nicht und er fuhr mit seinen Ausführungen fort. Er schob sich die Brille auf die Nase und suchte kurz nach der richtigen Stelle im Buch, dann begann er zu lesen.
»Einst wurden sie geschickt, um den Vampiren zur Seite zu stehen. Es gab derer fünf und jeder von ihnen war im Besitz einer einzigartigen Macht. Bright erschuf mit seinen Händen Tageslicht, Spadone schwang seine unsichtbare Klinge, Epoc war Herr über die Zeit, Sabador heilte alle Wunden und Vision besaß den Blick in die Zukunft. Diese fünf mächtigen Wesen nannte man die Schattenwächter. Sie waren gerecht und zugleich gnadenlos. Diese fünf außergewöhnlichen Wesen sollten den Vampiren zur Seite stehen, wenn diese durch ihr Wissen und ihre Macht den Menschen halfen. Aus ihrem Blut erschuf man die fünf Blutrubine, welche den mächtigsten Vampiren überreicht wurden, um unbeschadet im Tageslicht zu wandeln. Sobald die Macht der fünf Schattenwächter unvollständig ist, wird der Schutz der Blutrubine aufgehoben. Doch bald schon ergriffen Blutgier und der Wunsch nach Macht, Besitz von den Vampiren und sie verloren ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Sie töteten aus Langeweile und tranken mehr von den Menschen, als sie benötigten. Der Rat der Weisen befand, dass die Vampire ihr Privileg, beschützt zu werden, verwirkt hatten. Die Schattenwächter wurden zurückbeordert. Von diesem Tag an griff niemand mehr ein, wenn sich Vampire in Gefahr befanden. Die Schattenwächter waren verschwunden. Genauso lautlos, wie sie einst aus der Dunkelheit getreten waren.«
Finn nahm gemächlich die Brille ab und sah auf. Niemand von uns wagte es, das Schweigen zu brechen. Ich selbst war noch damit beschäftigt, zu verstehen, was diese Zeilen zu bedeuten hatte.
»Hat jemand eine Ahnung, was damit gemeint ist?«, fragte ich nach einiger Zeit. Aiden schüttelte den Kopf, James zuckte mit den Schultern und Berta strickte munter weiter. Pater Finnigan legte das Buch behutsam auf den Tisch, dann wandte er sich mir zu.
»Vielleicht ist das die Antwort auf die Frage, warum du unbeschadet ins Tageslicht gehen kannst«, erklärte er.
»Aber ich bin kein Schattenwächter und ich kann auch kein Licht erzeugen, habe kein unsichtbares Schwert oder sonst eine der genannten Fähigkeiten. Wie bitte soll ich an das Blut dieser Schattenwächter gekommen sein, schließlich war ich vor meiner Verwandlung ein ganz normaler Mensch«, widersprach ich.
Aiden erhob sich, ging hinüber zu dem Tisch, auf dem diverse Flaschen standen, und schenkte sich ein Glas Whiskey ein. Seit dem Vorfall in Kanada trank er mehr Alkohol als üblich. Das war mir schon einige Male aufgefallen und bei der nächstmöglichen Gelegenheit würde ich ihn darauf ansprechen.
»Vielleicht ist das alles nur ein dummer Zufall und der Mann, den Claire gesehen hat, meinte etwas ganz anderes, als in diesem Buch geschrieben steht. Macht des Blutes kann alles bedeuten. Gut möglich, dass der Autor es so formuliert hat, weil es einfach gut klingt. Ich jedenfalls sehe keinen Zusammenhang.« Er leerte sein Glas in einem Zug und ließ sich dann wieder in den Sessel fallen.
»Wenn aber doch ein Zusammenhang besteht?« Finn hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
»Und welchen?«, wollte nun James wissen. Pater Finnigan zuckte mit den Schultern.
»Was erwartet ihr von mir? Dass ich allwissend bin?«, bemerkte er beleidigt. Ich rappelte mich auf und strich mir die Hose glatt, dann schenkte ich Finn ein gequältes Lächeln.
»Vielleicht kommt uns die Erleuchtung, wenn wir das Ganze erst ein wenig sacken lassen. Im Moment fällt mir auch nichts dazu ein«, seufzte ich und drehte mich zu James. »Von mir aus können wir jetzt trainieren.« Ich konnte es kaum erwarten mich im Übungsraum zu verausgaben und meine ganze angestaute, überschüssige Energie loszuwerden. Ein guter Kampf würde mir dabei sicherlich helfen.
Kaum hatte ich den Satz gesagt, öffnete sich die Tür der Bibliothek. Vasili und Balthasar traten ein. Ihre ernsten Gesichter verhießen nichts Gutes. Sie warfen einen kurzen Blick in die Runde, dann kamen sie schnurstracks auf uns zu. Aiden
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