Blutsäufer (German Edition)
irgendwie dazugehörte?
„Ich hab in der Buchhaltung gearbeitet.“
Ich habe mich zu Tode gelangweilt.
Warum sagst du, „ich hab in der Buchhaltung
gearbeitet“, warum sagst du nicht: „Ich arbeite in der Buchhaltung?“. Seltsam.
Gehst du davon aus, dass du nicht wieder in dein altes Leben zurückkehren
wirst? Gehst du wirklich davon aus, dass du sterben wirst?
Karla unterbrach seine Gedankengänge. „Ich
bin Psychologiestudentin.“
„Aha.“
Stille.
Dann, mit einem Kettenrasseln: „Wenn das hier
alles vorbei ist, können wir ja mal was zusammen machen.“
Hmm?
„Mhm.“
„Wir könnten ins Kino gehen.“
Karla schien ein optimistischer Mensch zu
sein, wenn sie, angekettet in einem Keller, unweit von einem schrecklichen
Monster und in der beständigen Gefahr, von einer Vampirgräfin ermordet zu
werden, anfing, Pläne für die Zukunft zu schmieden.
Franz glaubte an keine Zukunft für sich. Und
falls es wider Erwarten eine für ihn gab, dann gewiss nicht mit dieser
Verrückten. Aber warum sollte er ihr jede Hoffnung nehmen? Er würde nichts
einlösen müssen von dem, was er versprach. Zumindest einer von ihnen würde
diese Hölle nicht überleben. Zumindest das war sicher. Oder?
Sag ihr, was sie hören will. Mach ihr die
Freude.
„Ins Kino? Klar! Würde mich freuen.“
Karla, die die Taschenlampe ausgeschaltet
hatte, um die Batterien zu schonen, schaltete sie wieder ein und richtete sie
von unten auf ihr Gesicht. Ihre Augen leuchteten stärker als das Licht dieser
kleinen Funzel. Und rote Bäckchen hatte sie auch, als sie, wie ein
Honigkuchenpferd grinsend, fragte: „Wirklich?“
„Klar, und hinterher trinken wir noch was bei
mir.“
„Das wär toll!“, sagte Karla begeistert.
Franz machte eine Bemerkung, die er gleich
darauf bereute. „Wenn dein Ulli nichts dagegen hat.“ Worauf ihre Mundwinkel
nach unten fielen.
„Verzeih!“, sagte er.
„Ulli ist toooot.“
Er fürchtete, dass sie anfangen würde zu
weinen, aber das tat sie nicht. Sie starrte eine Weile vor sich auf den Boden,
dann sagte sie: „Ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht. Ich glaube, ich
habe mich in Ulli getäuscht. Er war wohl kein besonders guter Mensch. Nicht
dass er deshalb den Tod verdient hätte, nein, natürlich nicht. Aber meine
Mutter hat wohl Recht gehabt, als sie zu mir sagte, dass ich mir besser einen
netten, lieben Freund suchen sollte. Ich hab darauf immer erwidert: ‚Nette,
liebe Freunde sind elende Langweiler, und so einen will ich nicht.‘“
Sie spielte mit der Taschenlampe, schaltete
sie ein und aus, ein und aus.
Ein und aus …
„Ulli fand eine Zeitlang Hitler ganz toll. Hat
sich sogar eigenhändig ein Hakenkreuz auf den Handrücken tätowiert. Musst du
dir mal vorstellen. Ganz schön verrückt, oder? Nee, meine Mutter hat wirklich
Recht gehabt mit dem lieben, netten Freund, den ich mir suchen soll, Langweiler
hin oder her. Man sollte öfter auf seine Mutter hören.“
Langsam ahnte er, worauf sie hinauswollte.
Wenn von Langweilern die Rede war, war meistens er gemeint.
Sie bestätigte seine Vorahnung. „Ich glaube,
meine Mutter wollte immer einen Mann für mich, der so ist wie du.“
Die Taschenlampe blieb plötzlich an und wurde
auf ihn gerichtet. Eben noch im Dunkel hatte er darauf verzichtet, seine Mimik
zu kontrollieren. Hatte sie seinen angewiderten Gesichtsausdruck sehen können? Er
lächelte jetzt – mit erschrockenen Augen.
Weil er nicht wusste, was er sagen sollte,
wiederholte er weitgehend die Worte, die Karla zuletzt gesagt hatte.
„Deine Mutter wollte immer einen Mann für
dich, der so ist wie ich?“
„Ja.“ Sie senkte die Taschenlampe. Das Licht
glitt über seinen Bauch und tiefer, blieb auf seinem ... ja, genau dort blieb
sie.
Die Frau ist nicht ganz dicht, dachte er.
Psychologie-Studentin, dachte er.
„Ich mache ihr bestimmt eine große Freude,
wenn ich mich für dich entscheide. Du bist ja so … so süß.“
Zum Glück ist sie angekettet, dachte Franz.
Wenn sie nicht angekettet wäre, würde sie wahrscheinlich über mich herfallen
und mir im Rausch der Wollust die Eier abbeißen.
Um eine Zeitlang von der verrückten Frau und
ihren Liebesbekundungen wegzukommen – und aufgrund seiner Unruhe, das Monster
betreffend –, verlangte er nach der Taschenlampe. Er wollte nachsehen, ob es
eingesperrt war. Das sagte er ihr auch, dass er nachsehen wollte.
„Komm aber gleich wieder und pass schön auf
dich auf“, entgegnete sie, ehe er im Gang verschwand
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