Blutsauger
konzentrieren. Allerdings vermochte er nicht so genau zu sagen, ob die Sympathie, die sie ihm gegenüber zeigte, kollegialer oder anderer Natur war.
Häberle hatte seiner Mannschaft an diesem Aschermittwochmorgen frische Brezeln mitgebracht und die Sekretärin gebeten, Kaffee zu machen. Als er zusammen mit Linkohr und Kerstin die Ereignisse des gestrigen Abends durchging, entfuhr dem jungen Kriminalisten, was er im Zustand allerhöchsten Erstaunens immer zu sagen pflegte: »Da haut’s dir’s Blech weg.«
Dass dieser Humstett noch im Gebäude aufgetaucht war, hatte sie mächtig überrascht. Vor allem aber, wie gesprächig er nach anfänglicher Skepsis gewesen war. Er hatte einigermaßen glaubwürdig versichert, dass er sich nur habe überzeugen wollen, in welchem Zustand die beauftragte Umzugsfirma das Haus hinterlassen hatte. Der Chef, wie er einen Mann namens Maronn titulierte, der sich auf Gran Canaria aufhalte und von dem ihm nur die Telefonnummer bekannt sei, habe den Auszug aus dem Gebäude von einem Tag auf den anderen organisiert. Sämtliche Geräte und Apparaturen seien vermutlich bereits auf dem Weg zu den Kanaren. Dort solle die gesamte wissenschaftliche Arbeit, an der er maßgeblich beteiligt sei, an einem neuen Standort zusammengeführt werden.
Nach dieser informatorischen Befragung hatte Häberle mit Humstett einen Vernehmungstermin für heute Vormittag festgelegt. Der Chefermittler entschied, sich mit ihm zunächst allein zu unterhalten, was Linkohr und Kerstin enttäuscht zur Kenntnis nahmen. Der junge Kriminalist jedoch überspielte es mit dem Hinweis auf das, was er in der vergangenen halben Stunde bereits in Erfahrung gebracht hatte: »Es war kein Problem rauszukriegen, wem das Gebäude gehört«, sagte er und lehnte sich auf dem gepolsterten Besucherstuhl in Häberles Büro zurück. »Edgar Fiedler heißt der Knabe«, fuhr er fort. »Irgend so ein Touristikunternehmer aus München.«
»Ach? Wieso investiert der in ein Fabrikgebäude auf der Alb?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich einer von der Sorte, der den Kragen nicht voll kriegt und dann nicht weiß, wohin mit dem Geld.«
Kerstin schaltete sich ein. »Normalerweise verschieben solche Typen ihr Geld heimlich ins Ausland.«
Häberle ging nicht darauf ein, obwohl er aufgrund seiner Erfahrung, die er einst als Sonderermittler in Wirtschaftskreisen gemacht hatte, vieles hätte dazu sagen können. Ihn wunderte schon lange nicht mehr, dass sich die Politik davor scheute, endlich den Machenschaften der Lobbyisten einen Riegel vorzuschieben. Ihm war längst klar, dass viele Gesetze bewusst so formuliert waren, um genügend Schlupflöcher offen zu lassen. Denn seiner tiefsten Überzeugung zufolge gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder regierten in diesem Land Dilettanten und Dummköpfe, was er zugunsten der Volksvertreter nicht annahm, oder – und das war die einzig verbleibende Alternative – sie ließen sich von den Wirtschaftsfunktionären einlullen, vielleicht mit einem kleinen Geschenk hier und da. Er verdrängte diese Gedanken und entschied: »Dann kümmert euch mal um diesen Fiedler. Vielleicht weiß ja der die genaue Anschrift von diesem Maronn.«
»Was mich persönlich stutzig macht«, warf Kerstin ein, »das ist diese Adlige, ihr wisst schon: von Willersbach hat sie sich genannt – Samstagnacht in der Ambulanz.«
»Ja, und?« Häberle sah auf die Uhr. Gleich würde Humstett auftauchen, falls er den Termin, wie versprochen, wahrnahm.
»Die falsche Adresse, die sie angegeben hat, liegt ganz in der Nähe des Hauses, in dem Frau Fallheimer jetzt wohnt.«
»Oh«, gab sich Häberle interessiert.
»Weinbergweg. 16 Hausnummern weiter wohnt in dieser Straße die Frau Fallheimer«, vertiefte Kerstin das Gesagte stolz.
»Und wer wohnt an dieser falschen Adresse?«
»Nach allem, was ich bisher über die Ulmer Kollegen in Erfahrung gebracht habe, offensichtlich niemand, der mit der Sache etwas zu tun haben könnte.«
»Sollten wir bald genauer abklären«, meinte Linkohr. »Wie wir ja wissen, hat die Frau Fallheimer Kontakte in diese Ärzteszene – über Dr. Brugger und dessen Frau.«
»Und bei dieser«, ergänzte Kerstin, »ist auch die Ambulanzschwester aufgetaucht.«
»Die du bei deiner illegalen Hausdurchsuchung entdeckt hast«, grinste der junge Kriminalist, worauf sie ihm zublinzelte.
»Und bei der mir etwas aufgefallen ist, das ich dir aber noch nicht verrate«, gab sie keck zurück.
»Aber vielleicht mir«, mischte sich
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