Blutsauger
Mann den Dienstausweis unter die Nase. »Kriminalpolizei. Wer sind Sie?«
Der Mann ignorierte das Dokument und ging rückwärts in das hell erleuchtete Foyer, das offenbar nie etwas anderes gewesen war, als ein schlichter Durchgang zum Haupteingang. »Wie Sie sehen, bin ich rechtmäßig durch die Eingangstür gekommen«, knurrte der Mann zurück. Er hatte seine Fassung wiedergefunden.
»Ihr Name?«, blieb Häberle hartnäckig. Linkohr und Kerstin hatten sich hinter dem Mann postiert. Man konnte nie wissen.
»Darf ich fragen, was Sie in das Gebäude führt? Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Brauchen wir nicht, wenn Gefahr im Verzug ist.«
»Hier ist Gefahr im Verzug?«, echauffierte sich der Mann und drehte sich nacheinander zu Kerstin und Linkohr.
»Jawohl, das ist sie«, wurde Häberle energischer. »Wenn hier bei Nacht und Nebel der ganze Laden ausgeräumt wird und der dringende Verdacht besteht, dass die Spuren dubioser Geschäfte beseitigt werden sollen, dann ist Gefahr im Verzug. Vor allem, wenn ich Ihnen sage, dass bereits zwei Menschen ums Leben gekommen sind, die vermutlich einen Bezug hierher hatten.« Er sah seinem Gegenüber scharf in die Augen. »Und außerdem besteht die Gefahr, dass dem Menschen, der hier gearbeitet hat, etwas zugestoßen sein könnte.«
»Dem Menschen, der hier gearbeitet hat?«, äffte der Angesprochene nach. »Was soll dem schon zugestoßen sein?«
»Dasselbe wie den anderen – dem Dr. Fallheimer und der Frau Anja Kastel, falls Ihnen die Namen geläufig sind.« Häberle hatte sich spontan für diesen Direktangriff entschieden.
Das Gesicht des Mannes nahm harte Züge an. Häberle glaubte, dass darüber hinaus alle Farbe entwich, obwohl dies im kalten Licht der Leuchtstoffröhren nicht eindeutig festzustellen war.
»Sie wollen doch damit nicht sagen, dass ich …?«
»Ich weiß ja noch gar nicht, wer Sie sind. Vielleicht haben Sie mal die Freundlichkeit, uns dies zu verraten«, gab sich Häberle versöhnlicher.
Der Mann sah die Kriminalisten ratlos an. Nach einigen Sekunden des Schweigens entschied er sich, den Widerstand aufzugeben. »Ich bin der, der hier gearbeitet hat.«
49
Die Sonne war bereits hinter dem Ostflügel des Hotels hochgestiegen, als Melanie und Caroline an diesem Aschermittwoch zum Frühstück auf die Terrasse kamen. Sie waren vergangene Nacht unterwegs gewesen und hatten sich bestens amüsiert, wie sie gegenseitig schwärmten. Die Enttäuschung, dass Elmar abgetaucht war, schien langsam abzuebben. Wenn er kein Interesse mehr an ihnen hatte, würden sie die Tage ohne ihn genießen. Am Hotel-Pool gab es schließlich genügend Möglichkeiten für einen Flirt. Melanie schwärmte von »einem charmanten Herrn alter Schule«, der sie nach dem Essen an die Bar eines benachbarten Hotels eingeladen habe, während Caroline begeistert von einer »ganzen Clique cooler Typen« berichtete, mit der sie in einem seriösen Nachtklub gewesen sei: »Gleich die Straße rauf links«, fügte sie an, während zum zweiten Mal an diesem Morgen die Sirenen mehrerer Einsatzfahrzeuge aufheulten, die ganz in der Nähe vorbeifahren mussten. Einige Frühstücksgäste reckten neugierig die Hälse, ohne jedoch von der Terrasse aus eine Chance zu haben, etwas zu erspähen.
Als der Ober wie jeden Morgen die Kaffeekanne brachte und die beiden Frauen auf galante Weise begrüßte, nahm Melanie die Gelegenheit wahr, sich nach dem Grund des Einsatzes zu erkundigen. Das Gesicht des braun gebrannten Spaniers wurde sofort ernst: »Man hat Leiche gefunde. Mann aus Deutschland. Drauße in Dunas – in Sand.«
»Ach«, entfuhr es Caroline und es war ihr, als habe ihr etwas die ganze Energie aus dem Körper gezogen. Sie sah Hilfe suchend zu Melanie, die erbleichte.
»Hab ich Falsches gesagt?« Der Ober blieb verunsichert stehen.
»Nein, nein, überhaupt nicht. Ist nur schrecklich so etwas«, fasste sich Melanie wieder. »Hat er hier gewohnt … hier im Hotel?«
Der Ober zögerte und sah sich prüfend um. Dann bückte er sich zu den beiden Frauen und flüsterte: »Hat man Schlüssel von unsere Hotel bei ihm gefunde.«
Für die Kriminalisten war’s nur eine kurze Nacht gewesen. Linkohr hatte vor dem Einschlafen abwechslungsweise an Kerstin und an Jenny gedacht. Die Flamme vom Samstag war den ganzen Abend nicht ans Telefon gegangen – eine Tatsache, die ihn zwar erheblich beunruhigte, ihm aber letztlich den Schlaf nicht rauben konnte. Er entschied, sich eher auf Kerstin zu
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