Blutsauger
versuchen, uns zu löchern. Wir haben uns da genau abgesprochen.« Ziegler sah Hilfe suchend zu Häberle und Baldachin, die dazu allerdings keine Reaktion erkennen ließen.
»Es gibt aber einige Punkte, bei denen Sie uns helfen könnten«, brachte der Staatsanwalt nun sein Anliegen ins Gespräch. Genau so, wie es Sander befürchtet hatte: Das eigentliche Geschehen nur stichwortartig anreißen, damit sich niemand einen logischen Ablauf vorstellen konnte, und dann die Bitte um den Zeugenaufruf. Dabei hatte er den Verantwortlichen schon viele Male gesagt, dass sich ein Bürger nur dann mit einem Zeugenaufruf auseinandersetzt, wenn ihm die dazugehörende Geschichte plausibel erzählt wird. Wenn nur Bruchteile an die Öffentlichkeit kamen – und die noch geschönt und gefärbt –, dann brauchten sich weder Staatsanwaltschaft noch Polizei wundern, wenn in der Bevölkerung stets allerlei Gerüchte und Mutmaßungen aufkamen. Nicht selten waren an den Stammtischen auf diese Weise die Opfer in die Nähe der Täter gerückt worden.
Ziegler erteilte Häberle das Wort, der um Verständnis dafür bat, »dass hier entschieden wurde, die Informationspolitik vorerst zurückhaltend auszuüben.« Diplomatisch gesagt, grinste Sander in sich hinein. »Hier wurde entschieden«, hallte es in seinem Kopf nach. Häberle wollte wohl sagen: Ohne mich. Sander hatte in seinen langen Berufsjahren gelernt, zwischen den Worten zu hören. Genauso, wie er es verstand, Ungesagtes zwischen seine Druckzeilen zu packen.
Häberle erklärte, dass die Röntgenassistentin in der Ambulanz tätig gewesen sei und man dort im Faschingstrubel der Samstagnacht »mehrere seltsame Patienten« zu versorgen gehabt habe. »Eine davon ist in einem Katzenkostüm in Erscheinung getreten und hat falsche Personalien hinterlassen. Wir gehen zunächst davon aus, dass die Dame eine wichtige Zeugin sein könnte. Sie wurde nämlich vom Ambulanzarzt zum Röntgen geschickt – und ist danach nicht wieder in die Ambulanz zurückgekehrt.«
»Wie? Einfach abgehauen?«, fragte Sander erstaunt dazwischen.
»Ja«, ging Häberle darauf ein, »ich weiß nicht, inwieweit Sie die Räumlichkeiten in der Ambulanz kennen – aber den Behandlungsraum trennt ein langer Flur vom Röntgenbereich. Man kann also jederzeit aus dem Röntgen raus und gleich die Klinik verlassen. Oder – andere Variante – man geht gar nicht erst zum Röntgen und verschwindet gleich.«
Baldachin mischte sich ein: »Sie müssen natürlich in jedem Fall an der Pforte vorbei. Aber die Dame, die dort sitzt, achtet nicht auf jeden, der rausgeht. Nur wer reinkommt, muss sich anmelden.«
Häberle wartete, bis der Chef fertig war, und fuhr fort: »Weil wir in einem Fahrzeug, das möglicherweise vorübergehend unbefugt benutzt wurde, um den Unfall mit Herrn Fallheimer zu bewerkstelligen, Kunstfaserspuren gefunden haben, wäre uns diese Katzenfrau wichtig.«
»Sie meinen, diese Kunstfaserspuren stammen von dem Faschingskostüm der Frau?«, unterbrach Baldachin erneut Häberles Ausführungen.
»Genau so meinen wir das«, bestätigte Häberle. »Wir sollten also wissen, wer in der Nacht zum Sonntag so ein Katzenkostüm getragen hat – beziehungsweise, wer eine Frau kennt, die damit unterwegs war.«
Sander schoss bereits die Überschrift durch den Kopf: ›Wer kennt die Katzenfrau?‹
Unterdessen wartete er begierig auf weitere Aussagen, doch die vier Männer verharrten in Schweigen. Erst als Baldachin das Wort ergriff, war klar, dass sie nicht bereit waren, weitere Details zu nennen. »Damit ist schon alles gesagt, was wir geplant hatten.«
Sander und die Fernsehkollegen sahen sich enttäuscht und süffisant gleichermaßen an. »Das sind aber mehr als dürre Worte«, kommentierte der Lokaljournalist und überlegte, ob er all seine Recherche-Ergebnisse des Tages vor der Filstalwelle preisgeben sollte. Er entschied, es nicht zu tun, vor allem, was seine Erkenntnisse zu angeblichen Blutmanipulationen anbelangte. Stattdessen wich er auf einen Nebenkriegsschauplatz aus. »Und was ist mit Laichingen?«, fragte er, um damit ein Stichwort zu geben, mit dem eventuell nur die Ermittler etwas anfangen konnten.
Ziegler sah ratlos zu Baldachin, dieser wiederum zu Stock. »Laichingen?«, griff Stock den Einwand fragend auf. »Zu Laichingen wollen wir uns momentan nicht äußern. Es hat dort – so viel kann man bestätigen – die Durchsuchung einer Immobilie gegeben. Ergebnis noch unklar.« Die drei neben ihm nickten.
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