Blutsauger
anzusprechen. Die nächsten zehn Minuten bis zur Ankunft vor Bruggers Haus verbrachten sie mit der Frage, ob die Frau ihr blondes Haar schon immer schulterlang getragen hatte.
»Zumindest kann man sich lange Haare nicht von heut auf morgen wachsen lassen«, sinnierte Kerstin. »Umgekehrt wär’s einfacher – zuerst lang und dann kurz.«
»Sie können auch gefärbt sein – oder die Dame leistet sich eine Perücke«, meinte Linkohr, der in Merklingen den Johannes-Lohrmann-Weg mühelos fand. Er parkte den Wagen wieder auf jener vom Schnee freigeräumten Fläche, die er bereits am Montag benutzt hatte.
Die Begrüßung an der Haustür war unterkühlt. Brunhilde Brugger, blass und ungeschminkt, wirkte müde und genervt. Linkohr und Kerstin sprachen das Beileid aus, ohne ihr damit eine Bemerkung abringen zu können. Auf dem Weg ins Wohnzimmer bat der Kriminalist um Verständnis für den telefonisch angekündigten Besuch, doch sei es notwendig, noch einige Fragen zu klären.
»Dann machen Sie’s aber bitte kurz«, bat Brunhilde Brugger. »Sie werden verstehen, dass ich heute nicht in der Lage bin, lange Konversationen zu führen.«
»Das kann ich nachvollziehen. Aber wir versuchen, diese schreckliche Sache so schnell wie möglich aufzuklären.«
»Um das zu tun, sollten Sie auf Gran Canaria recherchieren, denke ich«, entgegnete sie, ohne Linkohr ausreden zu lassen.
»Das tun wir«, erklärte er, »das dürfen Sie uns glauben. Dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass die Motive des Täters in unserer Gegend liegen.«
»Ich sagte Ihnen bereits am Montag, dass ich über die beruflichen Aktivitäten meines Mannes so gut wie nichts weiß.«
Kerstin schaltete sich ein: »Sie haben nie mit ihm über seine Arbeit gesprochen?«
»Wenn wir beide ständig über unsere Jobs geredet hätten, wäre das in endlose Diskussionen ausgeartet«, gab die Professorin unwirsch zurück. »Wahrscheinlich hat er sich in eine fixe Idee verrannt, von der er sich viel Geld versprochen hat.«
Linkohr griff eine ihrer Bemerkungen vom Montag auf: »Sie haben uns neulich angedeutet, Sie würden ohne Ihren Mann nichts zu diesen wissenschaftlichen Arbeiten sagen wollen.«
Die Frau lehnte sich in ihrem Sessel zurück, während sie Kerstins musternde Blicke offenbar irritierten. »Ich meinte aber auch, falls Sie sich entsinnen, dass ich ohne Anwalt keine Angaben mache. Dies gilt weiterhin.« Sie überlegte. »Ich hatte Ihnen doch die Handynummer meines Mannes gegeben. Haben Sie nicht mit ihm gesprochen?«
»Er hat sich nicht gemeldet«, antwortete Linkohr sachlich.
»Und nachdem Sie von allen Personen, die mit ihm zu tun hatten, ihn vermutlich am besten kennen, sind wir auf Ihre Mithilfe ganz besonders angewiesen.«
»Mithilfe? Ich hab eher den Eindruck, Sie suchen einen Verdächtigen. Womöglich haben Sie sich schon auf eine Variante festgelegt.« Brunhilde Brugger verzog ihr Gesicht zu einem gequälten Lächeln und rezitierte aus einer imaginären Anklage: »Frustrierte Professorin ermordet ihren Ehemann in den Dünen von Maspalomas.« Sie wartete auf eine Reaktion der beiden Besucher, doch Linkohr und Kerstin blieben gelassen. Die Frau, darüber sichtlich verwundert, fuhr deshalb fort: »Falls Sie gleich fragen, wo ich die letzten beiden Tage war, muss ich Sie enttäuschen: Ich war hier.« Sie sah in zwei erstaunte Gesichter. »Ach was – werden Sie jetzt denken. Die war gar nicht daheim. Wir haben doch zigmal angerufen und keiner ist rangegangen. Stimmt. Ich hab mir einige Austage verordnet. Ich bin weder ans Telefon noch an die Haustür gegangen. Mir wächst gerade einiges über den Kopf.«
Kerstin wartete einige Sekunden, um nachzuhaken: »Beruflich oder privat?«
»Beides«, antwortete die Frau schnell. »Dass Elmar allein nach Gran Canaria geflogen ist, hatte nicht allein dienstliche Gründe.« Wieder zögerte sie. »Nachdem die Kinder die Faschingsferien bei meiner Schwester verbringen, hab ich mir auch mal eine Auszeit gegönnt – wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Linkohr nickte. Er konnte dies sehr wohl nachvollziehen. Beziehungskrisen hatte er als Junggeselle mehr als genug durchlebt.
»Wir verstehen das sehr gut«, erwiderte Kerstin, die ihre Blicke gerade wieder von der genialen Aufhängung der Bilder gelöst hatte, die ihr bereits am Montag ins Auge gefallen war. »Trotzdem müssen wir Sie – und viele andere Personen natürlich auch – danach fragen, wie Sie die vergangenen Tage verbracht haben.«
»Nun
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