Blutsauger
unerwartet gesellig und leutselig erschien. Besonders angenehm hatte er die Anwesenheit der Damen im Gedächtnis.
Während er in Erinnerungen schwelgte, die ihm aus der Tiefe des Gehirns hochgespült wurden, ging er – vom Unterbewusstsein getrieben – an die Arbeit, öffnete vorsichtig das eine oder andere Terrarium, um Schmutz zu entfernen und kleinste Mengen von Nahrung zu verteilen, änderte mit den kleinen Lämpchen die Lichtverhältnisse, regulierte hier und da die Temperatur und machte sich auf langen Listen Notizen. Zwar versuchte er, sich auf diese Arbeit zu konzentrieren, doch im Hintergrund seiner Gedanken lief ein Film, den er nicht abschalten konnte.
Nachdem er die Terrarien, von denen es entlang der Wände gut drei Dutzend gab, alle sorgfältig geprüft hatte, setzte er sich an den winzigen Computertisch.
Der Rechner hatte schon viele Jahre auf der Festplatte und seine ebenso veraltete Microsoft-Version erforderte bei jedem Vorgang geduldiges Warten. In eine Excel-Datei übertrug er seine handschriftlichen Daten. Wie viel Zeit inzwischen seit dem Weggang von Wohnhaupt verstrichen war, hätte er nicht sagen können. Erst als sein Blick die Armbanduhr streifte, wurde ihm bewusst, dass er mehr als drei Stunden im Keller verbracht hatte. Womöglich stürmte und schneite es draußen. Vielleicht war er längst eingeschneit und hätte ohnehin keine Chance mehr, mit seinem Kleinwagen fortzukommen.
Er würde sich nach getaner Arbeit droben in den Büros, in denen es jede Menge biologische Fachliteratur gab, eine spannende Lektüre suchen und auf einer gepolsterten Sitzgruppe bis in die späten Nachtstunden lesen und erst bei Tageslicht das Haus verlassen.
Frenzel prüfte erneut die Terrarien und löschte das Deckenlicht, sodass nur noch einzelne Lämpchen brannten, die, von einer Schaltuhr gesteuert, den jeweiligen Miniatur-Biotopen einen verkürzten Tag-Nacht-Rhythmus simulierten.
Dann ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen und knipste im Flur das Licht an. Hier unten, das wusste er, gab es insbesondere während der kalten Jahreszeit allerlei seltsame Geräusche. Die Heizungsrohre reagierten auf unterschiedliche Temperaturen, das Brennersystem des Ofens brummte und rauschte irgendwo – und immer wieder war Knacken und metallisches Rumoren zu vernehmen. Material dehnte sich aus oder zog sich zusammen, je nach Temperaturentwicklung. Anfangs hatte er sich davor gefürchtet, doch seit er regelmäßig hierherkam, war ihm das Eigenleben des Hauses längst vertraut. Während er die schmale Steintreppe ins Erdgeschoss hinaufstieg, wurde ihm jedoch bewusst, dass die Außenhaut des Gebäudes derzeit anfällig war. Anfällig gegen Angriffe, warnte ihn seine innere Stimme. Über die Leitern am Gerüst war es möglich, mühelos jedes Stockwerk und sogar das Dach zu erreichen. Wenn ein Fremder eindringen wollte, brauchte er sich nicht aufs Erdgeschoss zu beschränken. Frenzel verlangsamte instinktiv seinen Schritt, als ihm bewusst wurde, dass ein potenzieller Täter heute Nacht auch übers Dach kommen konnte.
67
Häberle hatte gespürt, wie unangenehm Fernandez seine Anwesenheit geworden war. Dass sich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die Dogge auf der Terrasse sehen ließ, dann auf Kommando ihres Herrchens brav wieder von dannen gezogen war, konnte natürlich ein Zufall gewesen sein. Aber irgendwie hatte sich der Kommissar des Eindrucks nicht erwehren können, dass dies ein geradezu inszenierter Akt war.
Häberle hatte es deshalb für richtig erachtet, im rötlichen Schein der im Atlantik versinkenden Sonne den Rückzug anzutreten. Immerhin hatte Fernandez notgedrungen einige Angaben gemacht, aus denen ein erfahrener Kriminalist Rückschlüsse ziehen konnte.
Nachdem er das Villengrundstück verlassen hatte, ohne noch einmal die Dogge zu Gesicht zu bekommen, schlenderte Häberle im aufkommenden Abendwind an den zugewachsenen Grundstücken entlang. Er beschloss, ein Stück weit zu Fuß in Richtung Playa del Ingles zu gehen. Er kannte sich zwar nicht aus, aber in Strandnähe war es natürlich ein Leichtes, die Orientierung beizubehalten.
Die Erkenntnisse der vergangenen Stunden erforderten Zeit zum Nachdenken. Zum ersten Mal seit Langem hätte er sich einen Computer gewünscht, um die vielen Eindrücke aufzuschreiben und systematisch den Ermittlungsergebnissen der Kollegen daheim zuordnen zu können. Diese hatte er sich im Laufe des Tages mehrfach von Linkohr übermitteln lassen. Vieles, was der
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