Blutsauger
Sie hatte die drei Personen eigentlich nicht ins Haus lassen wollen. Doch Linkohr drängte hinein, gefolgt von Kerstin und dem Kollegen Reinhold Schnappke.
»Muss ich mir diesen Überfall am späten Abend gefallen lassen?«, empörte sich Brunhilde Brugger in der Diele. Sie war nicht gewillt, den unangemeldeten Besuchern einen Platz anzubieten.
»Wir können Ihnen das nicht ersparen«, konterte Linkohr und sah ihr fest in die Augen, während sich Schnappke im Hintergrund hielt und auf alles gefasst war. »Wir müssen Sie sogar bitten mitzukommen.«
»Sie wollen – was?«, zischte die Frau und verzog ihr Gesicht zu einem verkrampften Lächeln. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
Kerstin schaltete sich ein. »Doch, Frau Brugger. Wir haben den begründeten Verdacht, dass Sie Ihren Mann getötet haben.«
»Sie sind ja verrückt! Sie sind ja von allen guten Geistern verlassen! Gehen Sie! Bitte gehen Sie! Verlassen Sie sofort mein Haus!«
Die Kriminalisten blieben stehen und brachten damit zum Ausdruck, dass sie nicht bereit sein würden, auch nur einen Millimeter zu weichen.
»Wir haben einen Haftbefehl«, sagte Linkohr gelassen und holte das Papier aus einer Jackentasche, um es ihr zu zeigen. Frau Brugger würdigte es keines Blickes.
»Sie kommen daher und bezichtigen mich des Schlimmsten, was einem passieren kann«, giftete sie und versuchte, ein paar Schritte ins Wohnzimmer zu machen, was der breitschultrige Schnappke jedoch dezent verhinderte.
»Darf ich fragen, was Sie auf diese absurde Idee gebracht hat?«, fasste sich die Frau wieder.
»Das dürfen Sie«, entgegnete Linkohr, der in solchen Fällen seine innere Unruhe verbergen musste. Festnahmen waren immer etwas Kritisches. Keine verlief wie die andere – denn jeder Betroffene reagierte anders. »Uns ist nicht entgangen, dass Sie sich des Namens einer Dame bedienen, deren Outfit sie täuschend ähnlich angenommen haben. Oder es war ganz einfach ein Glücksfall, dass Ihnen der Ausweis von jemandem in die Hände gefallen ist, der Ihnen einigermaßen ähnlich sieht.«
Kerstin trumpfte auf: »Marion von Willersbach.«
Frau Brugger blieb stumm und holte tief Luft.
»Dieser Dame ist der Ausweis vermutlich in der Klinik abhanden gekommen«, erklärte Linkohr. »Und Sie haben sich ihrer Daten bedient, sind am Dienstag nach Teneriffa geflogen, rein zur Tarnung nach Santa Cruz, und dann mit der Fähre nach Gran Canaria rüber. Dort haben Sie Ihren Mann in die Dünen gelockt – oder locken lassen, vielleicht sogar mit Hilfe des Immobilienhais, von dem Sie wussten, dass ihn Ihr Mann treffen wollte -, ja, und am Dienstagabend haben sie ihn umgebracht und sind am Mittwoch wieder auf demselben Weg zurück.«
Brunhilde Brugger zeigte keinerlei Regung. Sie versuchte sichtlich, Haltung zu bewahren.
Kerstin merkte beiläufig an: »Vielleicht liegen die Reiseprospekte mit den Angeboten der Fährschiffe von Fred Olsen noch drüben in Ihrem Zimmer.«
»Das sind doch Hirngespinste, aber keine Beweise«, presste Brunhilde Brugger hervor.
»Und der Metalldraht, mit dem Ihr Mann stranguliert wurde?«, machte Kerstin weiter. »Sollen wir wetten, dass es sich um denselben handelt, mit dem Sie im Wohnzimmer Ihre Bilder aufgehängt haben?«
Ihr Schweigen wertete Linkohr als Indiz dafür, dass sie sich in die Enge getrieben fühlte.
»Sie haben Ihren Mann auf geniale Weise beseitigen wollen«, fuhr Linkohr fort. »Alles bis ins letzte Detail ausgeklügelt. Sogar der Stromverbrauch sollte Ihre Anwesenheit hier vortäuschen. Mit Schaltuhren vermutlich. Oder jemand war während Ihrer Abwesenheit hier. Wirklich genial gemacht.«
»Halten Sie endlich Ihren Mund!«, fuhr sie dazwischen. »Muss ich mir das anhören? Muss ich mir das antun? Wieso belehren Sie mich eigentlich nicht, dass ich das Recht habe, einen Anwalt hinzuzuziehen? Das werde ich mir nicht gefallen lassen.«
Für Linkohr waren dies die verzweifelten Versuche eines Beschuldigten, von einer aussichtslosen Situation abzulenken. »Die Vernehmung hat noch gar nicht begonnen, Frau Brugger. Wir sind gerade erst dabei, Ihnen unsere Anwesenheit zu erklären.«
»Halten Sie es nicht für absurd, mir die Ermordung meines Mannes vorzuwerfen?«, gab sie sich wieder zurückhaltender. »Welchen Grund sollte ich denn haben?«
»Da gibt es mehrere«, konterte Linkohr. »Zum Beispiel Eifersucht.« Er überlegte, ob er die beiden Krankenschwestern erwähnen sollte, entschied aber, es nicht zu tun, bemerkte jedoch an ihren
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