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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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es empfand, an ihrer Oberweite verweilte.
    Die Patientin fühlte sich geschmeichelt und lächelte verlegen. »Entschuldigen Sie, wenn ich so daherkomme, aber ich wollte mich nicht vorher umziehen.«
    »Heute ist Fasching«, gab sich Salbaisi verständnisvoll, während er überlegte, welche Farbe und Form wohl die Haare hatten, die sich unter der engen Fellkapuze verbargen. Überhaupt schien es ihm, als wolle die Frau ihre frivole Offenheit, mit der sie ihre Beine präsentierte, an anderer Stelle durch schamvolles Zugeknöpftsein wieder ausgleichen. Wahrscheinlich war dies bei derlei Verkleidung auch so gedacht. An Fasching war schließlich alles erlaubt.
    Er wechselte einen vielsagenden Blick mit Brigitte, die offenbar seine Gelassenheit nicht nachzuvollziehen vermochte. Frauen neigten in solchen Fällen ohnehin zu einer gewissen Eifersucht, obwohl keinerlei Grund dafür bestand.
    »Und was haben wir für ein Problem?«, blieb er ruhig, während er sich die Gesichtszüge der Frau einzuprägen versuchte. Doch gelingen wollte es ihm nicht. Die grelle Schminke sowie die schwarz hervorgehobenen Augenbrauen und die aufgemalten Haare verfälschten jegliches Mienenspiel. Er konnte nicht einmal genau erkennen, ob ihr Gesicht schmerzverzerrt oder zu einem Lächeln verzogen war.
    »Mein Knie …« Sie deutete auf ihr linkes. »Es tut höllisch weh.«
    Salbaisi ging in die Hocke, um es sich aus der Nähe zu betrachten. Das waren jene Momente, in denen er vergessen musste, ein Mann zu sein. Vorsichtig strich er mit einer Hand über die Strumpfhose, die keinerlei Beschädigungen aufwies. »Sie sagen, Sie sind gestürzt«, vergewisserte er sich deshalb mit der Sachlichkeit eines Buchhalters.
    »Gestürzt, ja«, entgegnete die Frau, die seine Frage sofort richtig deutete. »Ich hab mich auch gewundert, dass man nichts sieht.«
    »Bitte mal strecken.«
    Sie hob ihr linkes Bein und tat, was Salbaisi forderte.
    »Gestreckt halten.« Der Arzt strich mit der flachen Hand unterm Kniegelenk entlang, ohne sich allzu weit den Oberschenkeln zu nähern. »Tut es da irgendwo weh?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und oben, auf der Kniescheibe?« Er betastete den Knochen und drückte vorsichtig darauf, während sie das Bein wieder anwinkelte und abstellte.
    »Vorne tut’s weh, ja.«
    »Vorn«, echote Salbaisi und fuhr mit dem Zeigefinger an der Vorderkante der Kniescheibe entlang, ohne etwas Auffälliges ertasten zu können.
    Salbaisi nahm im Augenwinkel Brigittes skeptische Blicke wahr. So wie er sie kannte, mutmaßte sie sicher, die Patientin sei möglicherweise gekommen, weil sie in Ermangelung eines anderen nächtlichen Abenteuers mit dem Doktor anbandeln wollte. Jedenfalls war das Äußere dieser Frau durchaus dazu angetan, selbst einen gestressten Ambulanzarzt aus der Fassung zu bringen – auch wenn er es sich nicht anmerken lassen wollte. Bei dem Gedanken daran musste sich Salbaisi eingestehen, dass ihn die Art und Weise, wie diese Patientin vor ihm saß, tatsächlich nicht völlig kalt ließ.
    Brigitte hatte sich in all den Jahren, seit sie zusammenarbeiteten, höchst selten eingemischt. Dass sie es jetzt tat, empfand er als eine Art Alarmsignal. »Rüber zum Röntgen?«, fragte sie plötzlich ungewöhnlich laut und mit einem unsympathischen Unterton.
    Salbaisi tat so, als ginge ihn diese Frage nichts an. Musste es auch nicht. Denn er allein entschied hier, was zu tun war.
    »Kann das Rheuma sein?«, fragte die Patientin und strich sich mit beiden Händen über die wohlgeformten Oberschenkel.
    Der Arzt erhob sich wieder und war für einen kurzen Moment irritiert. »Rheuma?«, wiederholte er ungläubig. »Ich dachte, Sie seien gestürzt?«
    Jetzt formte sich unter der weißen Schminke ein erkennbares Lächeln. »Gestürzt, ja … , aber vielleicht, weil’s vorher schon weh getan hat.« Es klang verlegen. »Ein Schwächeanfall, aus Schmerz. Und dann bin ich eingeknickt. Kann doch sein, oder?«
    Der Arzt überlegte, ob die Patientin betrunken war. »Rheuma hat nichts mit einem Schwächeanfall zu tun«, sagte er und zupfte vorsichtig an einem ihrer Katzenohren.
    »Wollen Sie mir die Ohren lang ziehen?«, kokettierte sie und lehnte sich weit zurück, um den neben ihr stehenden Doktor von unten anzuhimmeln.
    Er war verlegen und fühlte sich von Brigitte misstrauisch beäugt. Schließlich entschied er sich für eine schnelle Antwort: »Die Ohren würd ich Ihnen nur lang ziehen, wenn Sie mitten in der Nacht hier aufgetaucht wären und gar

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