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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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jeweilige Nationalität eine Rolle spielte. Falls überhaupt ein Funken politischer Gesinnung vorhanden war, der über Stammtisch-Banalitäten hinausging, wurde dieser im nächtlichen Wodka- und Bierkonsum ertränkt.
    Salbaisi fühlte sich in Deutschland zwar überaus wohl, doch vermochte er aus seiner eigenen Erziehung heraus nicht nachzuvollziehen, wie hier die guten Sitten in den vergangenen Jahren verfallen waren. Um dies zu erkennen, brauchte er keine Nachrichtensendungen zu hören oder Zeitung zu lesen. Allein die Erfahrungen aus seinen Nachtdiensten in der Ambulanz sprachen Bände: Die Gewaltbereitschaft nahm im gleichen Maße zu, wie der Respekt vor der Unversehrtheit anderer Menschen schwand. War ihm Deutschland vor mehr als 20 Jahren als vorbildlich und verlässlich erschienen, so hatte sich dieser Eindruck seither deutlich zum Negativen verändert. Ihm schien es, als sei in dieser Zeit etwas aus den Fugen geraten. Wie zur Bekräftigung dessen, was er gerade dachte, drang die Stimme des jungen Mannes an sein Ohr. »Wenn das Arschloch wieder zu mir kommt, ist er tot, verstehst!«
    Wieder versuchte der Vater, ihn zu besänftigen.
    Salbaisi tupfte mit Wattebäuschchen die angeschwollenen Bereiche überm linken Jochbein des Jugendlichen ab und entschied: »Wir machen vorsorglich eine Aufnahme.«
    »Aufnahme?«, echote der junge Mann und betonte das Wort mit seinem türkischen Akzent völlig falsch.
    »Aufnahme, ja«, wiederholte Salbaisi eine Spur energischer. »Röntgen – um zu sehen, ob das Jochbein etwas abbekommen hat.«
    Der schlanke Bursche sprang auf. »Nicht röntgen!« Salbaisi war erschrocken zurückgewichen, die Ambulanzschwester brachte sich mit mehreren Schritten aus der Schusslinie.
    Wieder versuchte der Vater, seinen offenbar unbelehrbaren Sohn auf Türkisch zu beruhigen. Salbaisi vermutete, dass der Jugendliche ein Kind dieser Stadt war, jedoch aufgrund seiner Eltern nie die Chance bekommen hatte, sich zu integrieren und die deutsche Sprache richtig zu erlernen. Dem Arzt schossen all die vielen Zeitungsartikel durch den Kopf, die er in der örtlichen Presse zur Problematik nicht angenommener Integrationsangebote gelesen hatte. Dabei musste doch jedem klar sein, dass er zuallererst die Sprache des Gastlandes erlernen und beherrschen musste, ehe er am öffentlichen Leben teilnehmen konnte. Auch er selbst hätte es ohne gute Deutschkenntnisse nicht in diese Position gebracht. Inzwischen hatte er den Eindruck gewonnen, dass sich ein bestimmter Prozentsatz der Migranten gar nicht integrieren wollte. Das waren dann jene Momente, in denen er überlegte, was diese Menschen bewog, in dem Gastland zu bleiben.
    »Nicht röntgen, nix«, blieb der Jugendliche hartnäckig und schien plötzlich die Schmerzen am Kopf vergessen zu haben.
    Salbaisi sah ihm fest in die dunklen Augen. »Das ist Ihre Entscheidung, junger Mann. Dann muss ich Sie aber bitten, mir dies schriftlich zu bestätigen.«
    »Nix unterschreiben, nix.« Die Stimme wurde bedrohlicher, die Augen des jungen Mannes blitzten gefährlich.
    Salbaisi befürchtete, dass sein Gegenüber möglicherweise stärker unter Alkoholeinwirkung stand, als er ursprünglich gedacht hatte. Möglicherweise waren auch Drogen im Spiel, die jetzt in Kombination mit anderen Rauschmitteln ihre Wirkung zeigten. Wieder besänftigende Worte des Vaters.
    Brigitte verzog sich unauffällig in Richtung Schreibtisch, um mit dem dort stehenden Telefon notfalls die Polizei rufen zu können. Mehr als dies würde ihr nicht übrig bleiben, denn alle anderen Nachtdienstler der Klinik waren derzeit mit der Versorgung Fallheimers beschäftigt. Und die Dame an der Pforte wäre kaum hilfreich.
    »Ich kann Sie zu nichts zwingen«, sagte Salbaisi ruhig. »Allerdings würde ich Ihnen empfehlen …«
    »Hältst Schnauze, verstehst?«, giftete ihn der Patient an und unterstrich dies zornig mit einigen heftigen Armbewegungen.
    Salbaisi blieb trotz seiner kleineren Statur standhaft: »Wir wollen Ihnen nichts Böses tun.«
    »Verpiss dich, Nazi!«, brüllte der Jugendliche so laut er konnte und verpasste dem Arzt einen Stoß gegen die linke Schulter, worauf Salbaisi nach hinten stolperte, sich aber an der Krankenliege abfangen konnte.
    Der Vater sprang dazwischen, versuchte, den Sohn mit beiden Armen zu umklammern, was ihm nicht gelang. Blitzschnell befreite sich der junge Mann aus dem drohenden Griff und fegte zornig mit einer einzigen Handbewegung mehrere medizinische Utensilien von einem

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