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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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herstellte. Dies konnte in der Tat der Rohstoff sein, aus dem sich in naher Zukunft künstliches Leben entwickeln könnte. Wenn Humstett an die Konkurrenz dachte, befiel ihn jedes Mal ein unbändiger Forscherdrang, der ihm, einer aufputschenden Droge gleich, einen neuerlichen Schub verpasste. Die allenthalben von Kritikern geäußerte Sorge, aus solchen Experimenten könnte sich eines Tages ein Monster wie Frankenstein entwickeln, jagte ihm regelmäßig einen Schauer über den Rücken. Aber reizvoll war es allemal, möglicherweise eine völlig neue Lebensform zu entwickeln. Doch so weit wollte er gar nicht gehen. Denn würde es allein schon gelingen, künstliches Blut herzustellen, wäre dies eine wissenschaftliche Sensation, deren ökonomischen Wert niemand abzuschätzen vermochte.
    Die Menschheit, die sich von politischem Gezänk und Stars- und Sternchen-Tratsch einlullen ließ, hatte keine Ahnung, was in den letzten Jahren geschehen war. Manches, was in abgedroschenen Science-Fiction-Filmen gezeigt wurde, war längst überholt. Genetische Manipulation an Organismen galt mittlerweile als vertraute Routinetechnik. Und in Dänemark hatte erst jüngst ein Bioforscher ein Labor gegründet mit dem Ziel ›Kreaturen aus nie zuvor gesehener Art zu bauen‹. Diese Formulierung, die Humstett im Nachrichtenmagazin Der Spiegel gefunden hatte, wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Bei der Lektüre eines ausführlichen Artikels, den das Magazin in der ersten Ausgabe des Jahres veröffentlicht hatte, war Humstett ein weiteres Zitat ins Auge gestochen. Demnach soll der deutsche Physiologe Jacques Loeb bereits 1912 gesagt haben: ›Kein Befund spricht dagegen, dass die künstliche Produktion von lebendiger Materie möglich ist.‹
    Humstett ließ mit einem Hauptschalter die Jalousien in den Obergeschossen herunterfahren und verdrängte all diese Gedanken. Künstliches Leben, so reizvoll dies auch sein mochte, war nicht das wirkliche Ziel dieses Unternehmens. Genveränderte neue Lebensformen böten die Möglichkeit, kostengünstig Medikamente zu produzieren oder beispielsweise Treibstoffe herzustellen – so wie Bakterien seit geraumer Zeit dazu genutzt wurden, mit Kohlenwasserstoffen verseuchtes Erdreich wieder säubern zu lassen. Oder, noch simpler: Wie sie in den biologischen Becken der Kläranlagen einzelne Stoffe abbauten. Und wenn es gelang, woran Humstett keinerlei Zweifel hatte, dann wäre ihre Firma eine einzige Goldgrube.
    In vieles, was ihm in einsamen Nächten durch den Kopf ging und in den Plexiglasgefäßen und Petrischalen heranreifte oder sich chemisch verband, waren weder Maronn noch dessen Geldgeber eingeweiht. Und er selbst hütete seine Forschungsergebnisse wie einen Schatz: Mehrfach mit Passwörtern gesichert im Computer. Zusätzlich erstellte er immer wieder ein Back-up auf einer Festplatte, die im Tresor einer Bank in Ulm lag. Außerdem hatte er bei einem Notar einen Schriftsatz hinterlegt, der im Falle seines plötzlichen Todes wichtige Vorgehensweisen enthielt.
    Humstett war davon überzeugt, dass die Welt nur noch aus Raffgier und Machtbesessenheit bestand und deshalb allerhöchste Vorsicht geboten war, nicht zwischen einflussreichen Kräften zermalmt zu werden. Das große Geld hatte längst die Oberhand gewonnen und inszenierte Krisen, und wenn es sein musste, sicher auch richtige Kriege, obwohl es derer gar nicht mehr bedurfte, um ganze Länder und Systeme in den Untergang zu treiben. Das alte Sprichwort, das er schon von seiner Großmutter gelernt hatte, wonach Geld die Welt regiere, schien ihm so aktuell wie nie zuvor. Und die angeblich Verantwortlichen in der Politik lieferten sich Scheingefechte zu Banalitäten, während für die wirklich wichtigen Dinge dieser Welt keine Zeit und kein Geld mehr blieb. Welch ungeahntes Potenzial hätte die Menschheit, würde sie ihren gesamten Geist auf die Erforschung der Natur konzentrieren? Wie viele Geheimnisse würden sich entschlüsseln lassen und wie viele neue täten sich auf?
    Wenn ihn solche Gedanken übermannten, tröstete sich Humstett damit, dass es irgendwann wieder eine Zeitepoche geben würde, in der andere Werte im Vordergrund stünden. Was waren schon in der Weltgeschichte ein paar Hundert Jahre, in denen die Menschheit einen Irrweg ging? Das konnte so schnell vergehen, wie das Ölzeitalter. In tausend Jahren – wenn es die Menschheit dann überhaupt noch gab – würde man auf die etwa 130 Jahre andauernde Phase des hemmungslosen

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