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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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hatte Kräuter zunächst dargelegt, dass sich bei der ersten Obduktion keine Auffälligkeiten ergeben hätten, zumal von keinem der Klinik-Ärzte ein Verdacht auf Fremdeinwirkung geäußert worden sei. Die blaue Verfärbung des Gesichtes, so erläuterte Kräuter in seinem Bericht weiter, habe einen Atemstillstand nahegelegt. Nichts deute jedoch darauf hin, dass dies die Folge einer von außen einwirkenden Gewalt gewesen sei. Ebenso könne ein Kampf zwischen Anja Kastel und einer anderen Person ausgeschlossen werden.
    Bei der zweiten Obduktion sei nur ein einziger neuer Gesichtspunkt aufgetaucht, schrieb der Gerichtsmediziner: In einer Hautfalte des rechten Oberschenkels finde sich ein winziger Einstich, der möglicherweise bewusst an dieser Stelle gesetzt worden sei, sodass man ihn nicht auf den ersten Blick entdecke. Hier müsse etwas direkt in die Schenkelvene gespritzt worden sein.
    Aus den weiteren, ziemlich ausschweifenden Erläuterungen des Gerichtsmediziners fasste Häberle zusammen, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt fragwürdig erschien, um welche Substanz es sich hierbei handelte. Dazu bedürfe es langwieriger toxikologischer Untersuchungen.
    Der Kriminalist verzog verärgert das Gesicht, sah auf seine Armbanduhr und hoffte, Kräuter noch ans Telefon zu kriegen. Er wählte die Durchwahlnummer, die in der Signatur auf dem E-Mail-Ausdruck stand.
    Drei Rufzeichen später fühlte sich Häberle erlöst. Kräuter nahm ab und meldete sich kurz. Nach einigen Begrüßungsfloskeln kam der Ermittler zur Sache: »Das mit dem Fallheimer leuchtet mir ein. Aber bei der Kastel sollten Sie mir auf die Sprünge helfen.«
    »Nun, was soll ich da sagen?« Seine Herkunft aus dem Sächsischen war nicht zu überhören. »Was Fakt ist, hab ich Ihnen reingeschrieben. Alles andere wäre reine Spekulation.«
    »Was drinsteht, hab ich gelesen. Mich würd viel mehr interessieren, welche denkbaren Möglichkeiten Sie sich vorstellen können.«
    »Schwierig zu sagen. Ich bin kein Kriminalist. Ich bin Mediziner und die Schlüsse müssen Sie ziehen, Herr Häberle.«
    »Jetzt passen Sie mal auf«, wurde der Kommissar leicht ärgerlich, obwohl dies gar nicht seine Art war. »Da stellen Sie einen Einstich fest, aber keine Gewalteinwirkung und keinen Kampf. Geh’n wir mal davon aus, der Täter will ihr irgendetwas spritzen, dann wird sie wohl kaum die Hose runtergelassen und ihm die nackten Schenkel präsentiert haben – oder seh ich das falsch?«
    »Dieses Szenario ist kaum vorstellbar, da haben Sie recht«, entgegnete Kräuter. »Deshalb muss sie vor dem Setzen der Spritze handlungsunfähig gewesen sein.«
    »Ohne Gewalt, weil Sie dafür Spuren an der Haut gefunden hätten«, resümierte Häberle.
    »Ohne Gewalt, ja.«
    »Und – wie muss man sich das vorstellen? Schließlich sind wir in einer Klinik und da wird man sicher Mittel und Wege kennen, um das kurz und schmerzlos hinzukriegen.«
    »Wenn Sie mich so fragen – ganz inoffiziell und ich meine private Meinung äußern kann …«
    »Keine Sorge«, unterbrach ihn Häberle und überlegte, ob der Mann noch unter einem DDR-Trauma litt oder sich bereits ins bundesrepublikanische Hierarchie-System integriert hatte. »Wir reden ganz inoffiziell miteinander.«
    »Nun, nehmen wir mal an, es musste alles ganz schnell gehen und Frau Kastel war völlig arglos. Dann hat sich ihr jemand genähert und ein Tuch oder einen Wattebausch mit Halothan unter die Nase gehalten. Okay, dagegen hat sie sich vielleicht kurz gewehrt, aber zu einem Kampf, der Spuren hinterlässt, braucht es deswegen nicht zu kommen. In weniger als einer halben Minute ist sie bewusstlos.«
    Häberle machte sich Notizen und hakte nach: »Halothan?«
    »Ja, ein Narkosemittel. Sie wird also bewusstlos, er legt sie auf die Liege, zieht ihr die Hose ein Stück weit runter und setzt ihr in die Hautfalte eine unauffällige Spritze, direkt in die Schenkelvene. Dann zieht er ihre Hose wieder hoch und verschwindet.«
    »Und was hat er ihr gespritzt?«
    »Was er ihr gespritzt hat, weiß ich nicht«, beharrte Kräuter auf die richtige Formulierung. »Aber was es hätte sein können, dazu kann ich zumindest spekulieren. Ich denke an Pancuronium, ein Mittel zur Muskelrelaxation.«
    »Muskel – was?«
    »Muskelrelaxation«, wiederholte Kräuter geduldig. »Ein Mittel zur Erschlaffung der Muskeln. Ohne künstliche Beatmung führt es zu Atemstillstand und damit zum Tod.«
    »Und dieses Pancuronium lässt sich im Kreislauf nicht mehr

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