Blutsbande: Die Rachel-Morgan-Serie 10 - Roman (German Edition)
Geschmack.
Ivy saß am anderen Ende der Küche an unserem großen Holztisch. Der Bericht, den sie Nina abgenommen hatte, lag in verschiedenen Stapeln ausgebreitet vor ihr, damit sie alles auf einen Blick aufnehmen konnte. Der Tisch gehörte Ivy, der Rest der Küche mir, und im Moment bereitete ich mich vor, jeden Zentimeter Arbeitsfläche zu benutzen, um ein paar erdmagische Erkennungszauber anzurühren. Ich hatte mich nicht in die Sache reinziehen lassen wollen, aber jetzt, wo ich drinsteckte, wollte ich alles geben. Um Erdmagie zu wirken musste ich keine Kraftlinie anzapfen.
Ivy lehnte sich konzentriert über den Tisch. Ihre Haare waren nicht länger in einem Pferdeschwanz gefangen und fielen nach vorne, sodass ihr Gesicht verborgen war. Ihre Stiefel hatten Regenflecken, und sie bewegte sich sehr elegant, während sie versuchte, drei Wochen schlampige Ermittlungsarbeit zusammenzustoppeln. Die I. S. verließ sich auf Einschüchterung und brutale Stärke – nicht wie das FIB, das sich auf Daten verließ. Jede Menge Daten.
»Du hast wirklich ein Händchen dafür, die mächtigen Toten anzuziehen, Rachel.« Ivy nahm den Stift aus dem Mund und richtete sich auf, aber ihr Blick war immer noch auf den Tisch gerichtet, als sie hinzufügte: »Gott helfe mir, er ist alt.« Sie drehte ein Foto, legte den Kopf schräg und versuchte, einen Unterschied zu erkennen.
Ich ließ den Lappen auf den Tresen fallen und nahm einen Zauberkessel von dem Regal über der Kücheninsel, um ihn dann auf den Lappen zu stellen, damit er nicht wackelte. »Walkie-Talkie-Mann?«, fragte ich träge. Ich wusste genau, dass sie nicht von Nina sprach. Ich mochte es, wenn wir beide in der Küche arbeiteten – sie mit Computer und Karten und ich mit meiner Magie. Getrennt und doch zusammen, mit Jenks’ Kindern als lautstarke Kulisse.
Mit einem koketten Seitenblick meinte Ivy: »Mmm-hmmm. Walkie-Talkie-Mann. Was glaubst du, wer oder was er wirklich ist?«
»Außer psychotisch?« Ich hob eine Schulter und ließ sie entspannt wieder sinken, dann betrachtete ich nachdenklich meine Zauberbibliothek unter dem Tresen. Ortungszauber kamen nicht infrage. Sie reagierten auf Auren, die nur an lebenden Körpern vorhanden waren. Ein erdmagischer Identifikationszauber wäre möglich, aber die I. S. benutzte solche, und bis jetzt hatten sie nichts ergeben. Ich wollte es mit einem Teilchensuchzauber probieren. Sie wurden gewöhnlich angewendet, um Vermisste zu finden, bei denen es kein gutes Bezugsobjekt gab. Sie reagierten auf die winzigen Teilchen, die wir hinterließen, wann immer wir einen Ort besuchten; Dinge, die zu klein waren, um sie aufzuspüren und wegzuwischen. Es war allerdings ein sehr komplexer Zauber, und ich machte mir Sorgen, dass mein Blut ihn nicht aktivieren würde. Schließlich hatte ich mehr Dämonenenzyme im Blut als eine normale Hexe, und die kamen den komplexeren Zaubern gerne einmal ins Gehege.
»Du magst ihn doch nicht, oder?«, fragte ich, während ich eines meiner Zauberbücher herauszog und auf den Tresen fallen ließ.
Ivy schwieg, und ich sah blinzelnd auf. »Er wird mir die Sache anhängen, wenn wir die Verantwortlichen nicht finden – und du magst ihn?«, fragte ich wieder. Sie verzog das Gesicht. Je gefährlicher der Vampir war, desto mehr mochte Ivy ihn oder sie, und Nina kanalisierte einen sehr alten, sehr mächtigen Vampir. »Ivy…«, drängte ich, und ihr Seufzen ließ mich die Stirn runzeln. »Ich bin diejenige, die dumme Entscheidungen trifft, nicht du.«
»Nein, ich bin nicht interessiert«, sagte sie. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke, dann sah sie hastig wieder weg. »Es ist nur schon eine Weile her, das ist alles. Nina allerdings …« Sie verzog in einem seltenen Eingeständnis von Unbehagen den Mund, bevor sie sich hinter ihrer Tastatur verschanzte. »Die Frau steckt in Schwierigkeiten und weiß es gar nicht«, sagte Ivy leise und verschob mit ihren langen Pianistenfingern noch ein paar Dokumente. »Sie erinnert mich in vielerlei Hinsicht an Skimmer, aber sie ist vollkommen ahnungslos und absolut nicht auf das vorbereitet, was er ihr und ihrem Körper antut. Es ist nicht meine Aufgabe, ihr beim Überleben zu helfen. Sie wird es selbst herausfinden, oder bei dem Versuch sterben.« Sie hob den Kopf und starrte an die Wand. Wahrscheinlich erinnerte sie sich gerade an etwas, das sie mir nie erzählen würde. »Aber sie tut mir trotzdem leid. Auf den Höhenflügen berührst du fast den Himmel, und die Tiefen
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