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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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so weit. Sie ging. Kurz bevor sie ins Flugzeug stiegen, drehte Yasmin sich um und winkte in die Richtung, in der sie ihn vermutete. Ein kleines, dunkles Mädchen mit einer rosa Tasche und Erinnerungen, die kanadische Kinder nie verstehen würden. Er dachte daran, Yasmin in Toronto anzurufen, aber sie schlief jetzt bestimmt. Ihre Mutter – immer noch seine Frau, verdammt noch mal – würde nach ihrem Wecker tasten, wenn das Telefon
klingelte, und sich den langen schwarzen Zopf glatt streichen. Natürlich nur, falls sie sich das Haar nicht inzwischen hatte schneiden lassen …
    Riedwaan trank einen Schluck Kaffee. Er war kalt und bitter. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Akte zu. Er breitete die Fotos aus, die Riaan am Fundort gemacht hatte. Sein Magen verkrampfte sich. Er konnte dieses Mädchen nicht retten, aber er würde dafür sorgen, dass derjenige, der ihr das angetan hatte, teuer dafür bezahlte. Er tippte eine Nummer in sein Telefon ein und stellte sich vor, wie das Klingeln die Stille in Clares Arbeitszimmer durchbrach. Sie nahm ab, aufgeschreckt, das ahnte er, weil sie bestimmt gearbeitet und vergessen hatte, das Telefon abzustellen.
    Â»Ja«, sagte sie mit einem leicht verärgerten Unterton in der Stimme.
    Â»Clare, ich bin’s, Riedwaan.« Er machte eine kurze Pause und lauschte ihrem Schweigen. Er hatte ein lebhaftes Bild von ihr vor sich, wie sie am Schreibtisch saß mit ihrem dichten Haar, das sich um ihre spitz herausragenden Schulterblätter ringelte, Papiere, Bücher, Notizen um sich herum verstreut, den Laptop offen.
    Â»Hallo«, sagte sie. Was sollte sie auch sonst sagen?
    Â»Ich habe einen vorläufigen Bericht über die Leiche, wegen der du mich angerufen hast. Vielleicht willst du einen Blick darauf werfen.« Er wartete.
    Â»Okay«, sagte Clare. Sie wollte fragen, ob es um das Täterprofil gehe, ließ es dann aber. Das hatte Zeit bis später. »Um sechs im New York Bagel.« Sie legte auf und holte tief Luft. An ihn zu denken schnürte ihr die Kehle zu. Sie versuchte, das Gefühl zu ignorieren. Sie
würde sich auf einen Kaffee mit ihm treffen, er würde ihr den Autopsiebericht zuschieben und ein paar Telefonnummern. Sie würde die Papiere an sich nehmen, einige Gespräche führen, ihm die Transkriptionen schicken, ihre Meinung dazu abgeben, wer den Mord begangen haben könnte, und Riedwaan würde den Mörder fassen. Das war alles. Clare holte den Text, an dem sie gearbeitet hatte, wieder auf den Bildschirm. Sie musste sich konzentrieren, wenn sie das Exposé für den Film zum Thema Menschenhandel heute noch abschicken wollte. Sie würde Riedwaan in ihre arbeitsreichen Tage einschieben wie das Laufen und das Schlafen. Dieses Mal würde sie das Heft in der Hand behalten.
    Als sie schließlich die Augen vom Monitor hob, wirbelte draußen Straßenmüll durch die Luft. Sie schickte die E-Mail mit der Handlungsskizze für ihr Filmvorhaben weg und fuhr den Computer herunter. Sie beschloss, trotz des aufkommenden Windes zu Fuß zu gehen. Das würde ihr Zeit geben, sich zu fassen, bevor sie Riedwaan sah. Sie ging schnell, um warm zu bleiben. Der Himmel verdunkelte sich bereits.

6
    Das Restaurant, das Clare ausgesucht hatte, war eines der wenigen Überbleibsel vergangener Tage in einem sich immer weiter ausdehnenden Viertel aus Bars mit Animierdamen, Peepshows und Spielhallen. Muskulöse Männer lehnten auf Barhockern an den Eingängen der
Stripclubs und der Amüsierbetriebe für Erwachsene, deren Fenster zugeklebt waren. Teilzeitprostituierte und Vollzeit-Junkies lungerten unter Torbögen, rauchten und warteten. Riedwaan schaute aus dem Fenster. Er sah, wie ein Mädchen, das er nicht kannte, auf einen potenziellen Kunden zueilte. Unter der grellen Schminke sah sie aus wie fünfzehn. Er wusste, ohne hinschauen zu müssen, dass sie Einstichspuren vom Ellbogen bis zum Handgelenk hatte. Das Mädchen zuckte zusammen, als der Mann sie anspuckte. Riedwaan blickte auf die Uhr. Sechs. Clare war immer pünktlich. Er sah auf die Main Road hinaus und beobachtete, wie sie mit lockerem, kräftigem Schritt auf ihn zukam.
    Wie die meisten Frauen ging Clare schneller an den Clubs vorbei. Sie ignorierte die abschätzenden Blicke der Rausschmeißer, die sie musterten und dann das Interesse an ihr verloren. Clare schaute auf, nicht in Riedwaans Richtung, sondern zu der

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