Blutsbraeute
davon, dass die Entfernung von Kapstadt und die Sicherheit in Kanada das Trauma auflösen würden, das sich ihre Tochter in den nicht enden wollenden Stunden ihrer Geiselnahme zugezogen hatte. Riedwaan
hatte ihre Stimme immer wieder gehört. Ihre Kidnapper hatten über die Leitung angerufen, die Riedwaan für Informanten hatte legen lassen. Sie hatten die verängstigten Appelle der sechsjährigen Yasmin aufgezeichnet. Appelle an ihren Vater, er solle sie finden, und an ihre Mutter, sie solle kommen, Bitten um ein Glas Wasser. Riedwaan hatte es nicht beweisen können, aber nur Kelvin Landman hatte ein solches Händchen für Grausamkeiten. Das hatte ihn zum stärksten Mann in den Cape Flats Townships gemacht.
Riedwaan kehrte an seinen Schreibtisch zurück und schlug die Akte wieder auf. Charnays Mutter hatte ihm im Austausch gegen die Nachricht, ihre Tochter sei ermordet worden, ein Schulfoto von ihr gegeben, auf dem sie fröhlich lachte.
»Hier ist ein Stück Kuchen für Sie«, sagte Rita.
»Den kann ich jetzt brauchen. Danke, Rita«, sagte er. »Der ist ja fast so süà wie Sie.«
»Der Kurs in politisch korrektem Umgang mit Frauen, den Sie belegen mussten, wirkt ja Wunder.« Rita lachte.
Sie kam näher an seinen Schreibtisch heran. »Was haben Sie bis jetzt, Riedwaan?«
»Ich habe gestern mit ihrem Vater gesprochen. Chris Swanepoel. Er hat den ganzen Samstag vor der Glotze gehockt und Rugby geguckt, während seine Tochter misshandelt wurde. Verraten Sie mir, wie so etwas möglich ist!«
»Ich weià es nicht, Riedwaan. Aber Sie wissen doch, wie unterschiedlich Menschen reagieren, wenn sie in Panik geraten. Manche sind wie gelähmt. Sie tun einfach
so, als ob nichts wäre, und hoffen, dass alles unbemerkt an ihnen vorübergeht.«
»Er hat gesagt, er habe nicht überstürzt handeln und sie bei der Polizei als vermisst melden wollen, solange er noch davon ausgehen konnte, dass sie vielleicht schon kurze Zeit später beschwipst nach Hause gekommen wäre.«
»Aitsa «, murmelte Rita. »Wann hat er sie als vermisst gemeldet?«
»Am Sonntag. Als sie am Sonntag zur Mittagessenszeit nicht zu Hause war, hat er damit angefangen, sie überall zu suchen. Und dann erst haben die Eltern sie als vermisst gemeldet. Drei Tage später!«
»Der arme Mann«, sagte Rita. »Er muss völlig fertig sein.«
»Sie haben ein zu weiches Herz, Rita. Sie hätten Sozialarbeiterin werden sollen, nicht Polizistin. Ich werde jeden seiner Schritte überprüfen.« Für Riedwaan waren Väter in solchen Fällen, genau wie Freunde, immer verdächtig.
»Was hätte er denn sonst noch tun können, Riedwaan?«
»Sie finden. Lebendig. Es früher melden.«
Rita sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Sie sind sehr hart, Riedwaan.« Damit ging sie hinaus und überlieà ihn seinen Gedanken.
Warum war es Swanepoel nicht gelungen, die eigene Tochter zu finden? Riedwaan war Yasmins Spur in ein aufgelassenes Lagerhaus gefolgt, allerdings, wie er zugeben musste, mittels des schwachen Handysignals der Gangster, die sie festhielten, und voller Angst, seine
Entdeckung werde durch das Netz aus Bandeninformanten und korrupten Polizisten an die Gangster weitergeleitet. Deshalb war er allein hingefahren und hatte Yasmins Kidnapper hingerichtet, während sie ein Nickerchen machten, ungestört vom verzweifelten Wimmern des kleinen Mädchens. Als Erstes hatte Riedwaan seinem völlig hysterischen Kind das Blut abgewischt, mit dem es bespritzt war. Aber Yasmin wachte immer noch in der Ãberzeugung, sie bade in Blut, aus ihren Albträumen auf. Riedwaan hatte Yasmin gefunden, aber das hieà nicht, wie ihm Shazia immer häufiger vorgeworfen hatte, dass er sie gerettet habe. Es hatte eine Untersuchung gegeben. Die Spezialeinheit zur rücksichtslosen Bekämpfung der Bandenkriminalität, die Riedwaan aufgebaut hatte, war aufgelöst worden. Die öffentliche Empörung über die steigende Zahl von Kindermorden während der Bandenkriege hatte verhindert, dass Faizal angeklagt oder entlassen wurde. Aber er wusste, er war gescheitert, und wurde nach Sea Point auf einen Schreibtischposten versetzt. Shazia hatte ihn angefleht, die Polizei zu verlassen, aber er hatte sich geweigert. Sie nahm Kontakt mit der Kanadischen Botschaft auf, füllte die Antragsformulare aus, und dann war es auf einmal
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