Blutsbraeute
Körper gelegt, als trüge sie etwas Schweres. Für einen kurzen Moment war er abgelenkt, und als er wieder auf die StraÃe schaute, war Clare verschwunden.
Riedwaan blieb noch eine Weile in der Bar neben dem New York Bagel. Auf dem Rückweg zu seinem leeren, kalten Haus fuhr er an Clares Wohnung vorbei. Es war Licht zu sehen. Es erleichterte ihn zu wissen, dass sie sicher nach Hause gekommen war.
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Clare hatte lange völlig reglos in einem ihrer Sessel gesessen, eine vertraute Tarotkarte in der Hand. Der Umschlag, in dem ihr die Karte geschickt worden war, lag neben dem Autopsiebericht auf dem Tisch. Clare betrachtete die Karte. Es war die Hohepriesterin oder die Päpstin. Die zweite Karte im groÃen Arkanum. Die Karte, die vor dem Rationalen warnte und zur Intuition riet. Die Karte war sowohl eine Warnung als auch die Heraufbeschwörung der dunklen Welt, in der ihre Schwester lebte, versteckt, voller Angst und Hass. Clares Herz wurde schwer, weil ihr diese Nachricht zeigte, dass Constance von dem Mord erfahren hatte. Mit der Karte rief ihre Zwillingsschwester nach ihr.
Clare steckte die Karte zurück in den Umschlag und in ihre Tasche. Dann setzte sie sich mit den Transkriptionen,
die Riedwaan ihr gegeben hatte, an den Schreibtisch und versuchte, sich den Mord an dem Mädchen zu erklären.
7
Clare vertrieb Charnay Swanepoel aus ihren Gedanken. An diesem Morgen galt ihre Aufmerksamkeit ausschlieÃlich Natalie Mwanga. Sie nahm die dicht befahrene N1, arbeitete sich langsam in die richtige Spur vor und bog dann in die StraÃe ein, die um Atlantis herumführte. Es war ein trostloser Ort, an dem junge Männer in der Hoffnung auf Arbeit für einen Tag an den StraÃenecken herumlungerten. Clare sah auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Unwahrscheinlich, dass die Ãbriggebliebenen jetzt noch eine Beschäftigung für heute angeboten bekamen. Sie fuhr an einer mit Brettern vernagelten Fabrik vorbei, suchte nach der Disa Street. Da war sie. Während sie langsam weiterfuhr, hielt Clare Ausschau nach dem Vroue Hulp Mekaar Centre für misshandelte Frauen und Kinder. Sie war schon an dem unauffälligen Gebäude vorbeigefahren, als sie es wegen der Gitter an den Fenstern bemerkte. Clare parkte unter einem Baum, den jahrelanger Widerstand gegen den Wind gekrümmt hatte. Sie begrüÃte die hochgewachsene Frau, die herauskam, um sie einzulassen.
»Willkommen, ich bin Shazneem«, sagte sie und umschloss Clares glatte Hand mit der ihren. Der melodische Name passte nicht zu ihrem grauen Stoppelhaar und der
abgetragenen Bikerjacke. »Wir haben schon auf Sie gewartet, Frau Dr. Hart.« Shazneem legte Clare den Arm um die Schultern und führte sie zu der gelben Haustür, wobei sie ihren üppigen Körper beschützend zwischen Clare und die StraÃe schob.
»Wir unterhalten uns erst in meinem Büro.« Shazneem öffnete die Tür mit dem Schild Centre Director , unter dem ein bunter Schmetterling prangte. »Und dann bringe ich Sie zu Natalie. Sie erwartet Sie.«
Clare setzte sich auf den angebotenen Stuhl. Shazneem manövrierte ihre Fülle überraschend behände um den übervollen Schreibtisch herum und in ihren Stuhl. Die hohe Lehne rahmte sie ein, verlieh ihr das Aussehen einer Amazonenkönigin. Aber als sie nach ihrem Notizblock und einem Bleistift griff, überzog eine Welle der Erschöpfung ihr Gesicht, und die Illusion verflüchtigte sich wieder. Sie war nichts weiter als eine Frau in den mittleren Jahren, die ihre Arbeit tat und sich dabei nicht schonte.
»Was können Sie mir über Menschenhandel in Südafrika sagen, Shazneem? Glauben Sie, dass es ihn gibt?« Clare stellte die erste Frage mit gezücktem Stift, bereit zum Mitschreiben. Ihr kleiner Kassettenrekorder surrte leise.
»Ich weiÃ, dass es ihn gibt, wir wissen, dass es ihn gibt, und er wird immer häufiger. Wir kennen die überwiegend jungen Frauen, die entkommen und den Weg ins Frauenhaus finden. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Und wir können nichts beweisen, stimmtâs?« Ihre Stimme klang abgehackt vor Zorn. »Wie sollen wir es beweisen, wenn so viele dieser Frauen sich aus Verzweiflung
darauf einlassen? Sie fliehen vor dem Krieg und vor der Armut, glauben, dass ihnen ein besseres Leben geboten wird â und es gibt keine Gesetze, die sie beschützen. Die Typen, die den Handel betreiben, tragen kein Risiko, und der
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