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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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einfach mit.«
    Riedwaan schien zu überlegen.
    Â»Ich glaube, Familie ist nicht ganz das Richtige für mich«, sagte er dann.
    Â»Kann schon sein«, erwiderte Clare. Sie schämte sich darüber, wie erleichtert sie war, dass er absagte. »Sobald ich etwas habe, schicke ich es dir per E-Mail.« Indem sie auflegte, ärgerte sie sich über ihr ablehnendes Verhalten Riedwaan gegenüber, denn sie verspürte plötzlich den dringenden Wunsch, ihn zu sehen. Sie griff nach einem Stift und begann, sich sorgfältig Notizen zu machen. Das Bedauern löste sich beim Arbeiten auf. Morgen würde sie das Zuhause des toten Mädchens besuchen.

10
    Clare sagte die Adresse nichts, aber sie hatte auch nie einen Grund, den Stadtteil Welgemoed zu besuchen. Sie war froh, dass Riedwaan ihr den Weg beschrieben hatte.
Vielleicht fiel es Charnays Mutter leichter, mit einer Frau in Zivil zu reden. Der Morgen war so prickelnd wie Champagner. Zwischen den Blättern der Bäume an der Straße, in die Clare einbog, flimmerte das Licht. Am Ende langer Zufahrten standen unverwüstliche Backsteinhäuser, erbaut in den wohlhabenden Sechzigerjahren. Nach dem Autolärm auf der Schnellstraße war es hier angenehm ruhig. Das einzige Geräusch kam von einem Gärtner, der einen Rasenmäher schob. Nummer 27 war so leicht zu finden wie jedes andere Anwesen in dieser Straße.
    Im Haus war es still. Jedes Fenster war geschlossen, und alle Vorhänge waren zugezogen. Clare glaubte, sie sehe jemanden die Treppe hinaufgehen, aber das hätte auch ein Schatten des Baumes sein können, der die Sonne vom Haus fernhielt. Tief im Innern schlug ein melancholischer Akkord an, als sie auf die Klingel drückte. Die Tür flog auf, und ein Junge blickte Clare mürrisch entgegen.
    Â»Wie is daar?«, rief ihm eine Stimme hinterher.
    Â»Diese Frau. Wegen Charnay«, antwortete er, ohne Clare aus den Augen zu lassen. »Meine Mutter ist da drin«, sagte er und trat beiseite.
    Er zeigte den Flur entlang auf eine offene Tür. Die Sonne strömte in das Halbdunkel der Eingangshalle. Clare ging auf den Raum zu.
    Die Mutter des toten Mädchens saß mitten im Zimmer auf dem Boden, zusammengekrümmt, als werde ihr ein Messer im Leib umgedreht. Mrs. Swanepoel sah zu Clare auf. Ihr Blick war leer.
    Â»Ek kan jou nie help nie «, sagte Mrs. Swanepoel. Ihr
fiel ein, es auf Englisch zu wiederholen. »Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich habe der Polizei alles gesagt, was ich weiß.«
    Clare ging neben der Frau in die Hocke. Sie wusste, dass es besser war, sie nicht anzufassen. Eine so formelhafte Trostgeste wäre für die Frau eine Tortur gewesen.
    Â»Sie war ein Engel«, sagte die Mutter und ging dabei wieder in das ihr vertrautere Afrikaans über. »Deshalb ist sie mir genommen worden.«
    Clare wandte sich von ihr ab. Sie brauchte nicht mit ihr zu reden, hätte es nicht ertragen, ihr noch mehr Fragen zu stellen, auf die sie keine Antwort wusste. Und schließlich hatte sie Riedwaans Gesprächsaufzeichnungen gelesen.
    Â»Darf ich ihr Zimmer sehen?«, fragte Clare.
    Mrs. Swanepoel rührte sich nicht. »J. P.«, flüsterte sie, »bring Miss Hart in das Zimmer deiner Schwester.«
    Â»Ja, Ma.« Der Junge, der Clare hereingelassen hatte, tauchte wieder auf. Clare folgte ihm die Treppe hinauf. Hier waren alle Türen geschlossen. Er führte sie zum Ende des Flurs. »Freunde willkommen, Familie nur nach Vereinbarung« stand auf dem handgeschriebenen Schild an der Tür – ein Überbleibsel aus einer Kindheit, die noch nicht lange zurücklag.
    Der Junge machte die Tür auf und trat zurück, um Clare hineinzulassen. Das Zimmer war eine Orgie in Rosa. Die Wände, die Vorhänge, die Teppiche, das Bett. Alle Schattierungen der Farbe waren da. Alles, was sich verzieren ließ, hatte Rüschen, Schleifen oder Blümchen. Es war bedrückend. Clare fragte sich, ob dieses eigenartige Gefühl von Abwesenheit schon vor Charnays Verschwinden
da gewesen war. Gewaltsam unterdrückte sie den heftigen Impuls, die Fenster aufzureißen.
    J. P. kam nicht herein. »Ich hole Sie dann ab«, sagte er und machte die Tür zu, bevor Clare etwas sagen konnte.
    Sie war erleichtert, als sich kein Schlüssel im Schloss drehte. Sie stand mitten im Zimmer, ratlos, suchte nach der Präsenz des Mädchens. Alle Oberflächen waren beklebt mit Bildern,

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