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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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immer näher. Sie hatte überprüft, was Natalie ihr erzählt hatte. Aber sie brauchte unterstützende Beweise. Ein Taxifahrer, der oft zur Grenze und zurück fuhr, wäre ideal gewesen. Clare dachte daran, sich einen Espresso zu kochen, aber sie hatte dann doch keine Lust aufzustehen.
    Â 
    Giscard ging auf das Polizeirevier zu. Im nächtlichen Dunkel bewegte er sich nahezu unsichtbar im Schatten der Gebäude. Mithilfe dieser Fähigkeit hatte er in Kapstadt nun schon eine ganze Weile überlebt. Heute Nacht war sein Schritt jedoch zögerlich – obwohl ein Flüchtling als Erstes lernt, beim Gehen keine Unsicherheit zu zeigen, wenn er der Polizei nicht auffallen will. Er blieb an der Wohnwagentür stehen und schaute durch die Scheibe hinein. Nur die Frau war da, die Frau, von der er gehört hatte, sie versuche etwas über den Frauenhandel in Afrika herauszufinden. Sie sah so schmächtig aus. Er beobachtete, wie sie sich die Kopfhörer aufsetzte.
    Giscard machte die Tür auf, aber sie hörte es nicht.

    Â 
    Â»Guten Abend, Madame.« Die Stimme mit dem Akzent erschreckte sie.
    Â»Kann ich Ihnen helfen?« Sie vermutete sofort, dass er ein Illegaler war.
    Â»Madame, ich habe etwas gesehen. Sie müssen dort bitte hingehen, Madame, jetzt gleich.«
    Â»Wie heißen Sie?«, fragte Clare.
    Â»Sie können mich Giscard nennen. Das reicht.«
    Â»Sagen Sie mir, was Sie gesehen haben«, sagte Clare. Sie griff nach ihrem Notizbuch, nahm den Stift in die Hand.
    Giscard holte einen Fetzen Zeitungspapier aus der Hosentasche. Die Telefonnummer, die darauf stand, war so sorgfältig und linkisch aufgeschrieben, wie das Menschen tun, die sich das Lesen und Schreiben selbst beigebracht haben. Clare nahm den Fetzen, schrieb die Nummer ab und gab ihn Giscard zurück.
    Â»Was haben Sie gesehen? Fangen Sie mit dem Anfang an.«
    Â»Ich habe diese Nummer angerufen.« Er sprach schnell, als hätte er Angst, dass ihn der Mut verließ. »Ein Mann hat sich gemeldet. Ich habe ihm meinen Namen gesagt und dass mir jemand die Nummer gegeben hat, weil sie einen Wachmann suchen. Der Mann hat mich gefragt, ob ich stark bin. Das bin ich, habe ich geantwortet.«
    Clare registrierte die angespannten Schultermuskeln, die breiten Hände, die sanften Augen. Die Augen eines Vaters, dachte sie. Ein guter Mensch. Jetzt sprudelten die Worte aus ihm heraus.
    Â»Der Mann hat gesagt, ich soll zu ihm kommen. Er
hat mir eine Adresse gegeben, und ich bin hingegangen.«
    Clare wusste, was es Giscard gekostet haben musste, hierherzukommen: vermutlich keine Papiere und daher verzweifelt darauf bedacht, den Kontakt mit den Behörden zu meiden, die ihn in das blutige Chaos, aus dem er geflohen war, zurückschicken würden.
    Â»Es war eine Wohnung mit vielen Schlössern und Gittern an den Fenstern, in der Main Road. Ein Mann hat mich reingelassen. Er hat gesagt, ich muss warten – der Mann, mit dem ich gesprochen hatte, war noch nicht da. Dann ist er weggegangen und hat jemanden angerufen. Kurz darauf ist er mit einem anderen Mann zurückgekommen. Sie wollten wissen, ob ich ein guter Wachmann bin. Ob ich schweigen kann. Ob ich Papiere habe. Ich habe Ja gesagt. Dann habe ich noch mal Ja gesagt und noch nicht. Sie haben mir erklärt, ich muss jede Nacht bis neun Uhr morgens arbeiten. Ich habe sie gefragt, was für ein Job das genau ist, und sie haben gelacht. Sie haben gesagt, es wäre mein Job zu vergessen, was und wen ich jede Nacht sehe. Sie haben auch gesagt, dass sie Männer aus meinem Land kennen und wissen, dass wir mit unseren Frauen viel Geld machen. Ich habe nichts dazu gesagt. Wir haben noch über den Lohn geredet, aber draußen waren Geräusche. Die Männer sind rausgegangen. Erst haben sie geredet, dann geschrien. Ich habe gedacht, sie wären am Telefon, aber sie sind aus dem Haus gegangen – ich habe das Türschloss gehört. Ich habe lange gewartet. Es war sehr still. Plötzlich habe ich wieder etwas gehört. Ich dachte, es könnte ein weinendes Kind sein, ein weinendes Mädchen. Die Männer
waren nicht wiedergekommen. Ich bin auf und ab gegangen, weil ich das Weinen nicht ertragen konnte. Ich musste an meine Kinder im Kongo denken. Ich bin durch den Vorhang gegangen, durch den die zwei Männer vorher hereingekommen waren, und war in einem Flur mit mehreren Türen. Eine war ein bisschen offen, und von dort habe ich

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