Blutsbraeute
der freien Hand darüber. Florrie wich zurück, als hätte Clares Berührung ihre Haut ein zweites Mal versengt. Sie lieà die Hände fallen.
»Finden Sie allein hinaus, Frau Dr. Hart?«
»Bitte, nehmen Sie das.« Clare gab ihr einen Zettel mit der Nummer der Psychologin, die sie von Rape Crisis bekommen hatte. »Rufen Sie die Frau an. Sie könnte Ihnen beiden helfen. Meine Nummer steht auch darauf, falls Sie sich das mit der Polizei anders überlegen.« Clare zögerte. »Oder falls Sie etwas brauchen.«
Mrs. Ruiters steckte den Zettel in ihre Manteltasche. Sie sah zu Clare auf. In ihrem immer noch schönen Gesicht war die Ãhnlichkeit mit ihrer Tochter zu erkennen, aber Jahre der Not und der Angst hatten ihre unauslöschlichen Spuren hinterlassen.
»Wie soll sie vom Reden gesund werden?«, stieà sie zornig hervor.
»Es ist ein Wunder, dass sie überlebt hat«, sagte Clare. »Vielleicht kann ihr das helfen und sie heilen.«
»Der Körper kann überleben.« Mrs. Ruiters hob das Foto mit dem Tattoo auf der Leiche von Charnay auf. »Aber die Seele?« Die Frage hing zwischen ihnen in der Luft, als Mrs. Ruiters Clare das Foto reichte. Sie standen einander schweigend gegenüber. Whitneys Mutter rührte sich erst, als ihre Tochter nach ihr rief: »Mammie , komm.«
Im Flur hing ein Bild von Whitney mit einem Jungen im dunklen Anzug, strahlend auf einem Schulball. Clare
ging hinaus. Sie stieg ins Auto, ignorierte die drei Männer, die langsam von Nummer dreiundzwanzig wegstolzierten, und fuhr nach Hause zurück. Sie legte ihre Sachen auf dem Tisch im Flur ab und ging ins Gästezimmer, um aufzuräumen. Als sie die Decke zurückschlug, bemerkte sie auf dem Laken noch den schwachen Abdruck von Whitneys zusammengerolltem Körper.
Auf dem eingedellten Kissen lag ein langes, schwarzes Haar. Clare strich das Bett glatt und zog die Vorhänge auf. Sie sah sich im Zimmer um, das benutzte Glas in der Hand.
An der obersten Reihe im Bücherregal war etwas verändert. Ihre Bücher standen so dicht nebeneinander, dass sie sofort sah: ein Buch fehlte. Es war das Buch, das sie über Constance geschrieben hatte. Sie setzte sich auf das Bett und legte ihren Kopf auf die ineinander verschränkten Hände. Sie hoffte, dass die Geschichte ihrer Schwester Whitney half, obwohl sie es bezweifelte. Clare dachte an Mrs. Ruitersâ Frage nach der Seele ihrer Tochter. Tränen, heià und schockierend, weil sie so selten waren, rollten über Clares Arme. Sie war zu spät gekommen, sie hatte versagt und nicht geholfen. Die Schuldgefühle, die sie meistens mit ihrem engagierten Journalismus beschwichtigte, brachen plötzlich mit aller Macht hervor. Sie wusste nicht, wie lange sie dort in ihrem Schmerz gesessen hatte, aber sie war steif, als sie aufstand, um an das schrillende Telefon zu gehen. Sie kannte die Nummer nicht, die auf dem Display erschien, deshalb wartete sie ab, ob eine Nachricht aufgesprochen wurde.
»Hallo, Frau Dr. Hart. Ich habe darauf gewartet, dass
Sie nach Hause kommen.« Die zischende Stimme erkannte sie sofort. »Ich möchte Sie nur an unsere Verabredung heute Abend erinnern. Um elf. Sagen Sie dem Türsteher Ihren Namen. Er weià Bescheid und bringt Sie zu mir nach oben.«
Clare wurde übel. Kelvin Landman und sein Isis Club. »Ich hoffe, Sie haben Ihre kleine Spazierfahrt genossen.« zu Clare hatte ihn ganz vergessen und konnte auf einmal den Gedanken, sich in seiner Nähe aufhalten zu müssen, kaum ertragen. Sie wollte schon zurückrufen und absagen, als sie am Blinken der Anzeige des Anrufbeantworters sah, dass sie eine zweite Nachricht hatte. Sie spielte sie ab. Die Nachricht kam von ihrem Produzenten in London.
»Hallo, Clare. Ich möchte dich bloà daran erinnern, dass ich Rohmaterial brauche, als Beweis dafür, dass du deinen Lieblingsgangster geködert hast. Ohne das kriegen wir den Film nicht durch. Ich kann das doch irgendwann am Montag bekommen, oder, Liebling? Ein schönes Wochenende. Wir haben hier herrliches Wetter. Bye.«
»Das warâs dann«, sagte Clare zu sich. Sie duschte, um wieder zu sich zu kommen und weil sie sich beschmutzt fühlte von Landmans Nachricht. Es war unheimlich, wie gut er über ihren Tag Bescheid wusste.
Ausnahmsweise fiel ihr die Entscheidung schwer, was sie anziehen sollte. SchlieÃlich wählte sie etwas Schlichtes
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