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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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einen Henkelbecher für sich, einen für Constance. Sie machte Toast, und sie aßen schweigend. Constance zog sich in sich selbst zurück.
    Â»Warum malst du nicht, was du mir auf den Rücken zeichnest?« Constance machte ein erschrockenes Gesicht. Clare stand langsam auf und legte ein Blatt Aquarellpapier vor Constance auf den Tisch. Sie holte einen Pinsel und die blaue Farbe, die auf der Staffelei ihrer Schwester stand. »Mal es, Constance. Mal das, was du mir immer auf den Rücken zeichnest. Lass es mich sehen.« Constance schloss die Augen und saß völlig reglos da.

    Clare dachte an Riedwaan, der allein aufwachte. Sie musste die brutale Kalligraphie entziffern, um sich davon zu befreien. Seit zwei Jahrzehnten fesselte diese Geheimschrift sie an ihre Zwillingsschwester. Constance griff nach dem Pinsel und tauchte ihn in die Farbe. Sie ließ den Pinsel abtropfen und schloss wieder die Augen. Sie fing an zu zeichnen: Winkel, Schlingen, Spiralen. Es war schön, aber es sagte Clare nichts. Constances Rücken bestand nur aus vernarbtem Gewebe, und ihre Zeichnung war nichts weiter als ein Muster.
    Constance gab Clare das Bild. Sie sah erschöpft aus. »Lass uns jetzt schlafen, Connie.« Constance nickte. Sie folgte Clare ins Schlafzimmer, wo sie sich hinlegten, aneinandergeschmiegt, wie sie es als Kinder getan hatten. Clare schlief sofort ein und wachte Stunden später auf. Constance lag noch schlafend in ihren Armen. Clare machte sich los und zog sich an. Sie kochte Tee und brachte Constance eine Tasse.
    Â»Ich gehe jetzt, es ist schon nach fünf«, sagte sie und strich ihrer Schwester das Haar aus den Augen. Constance lächelte und drehte sich wieder zur Wand.
    Â»Auf dem Schreibtisch liegt etwas für dich, Clare«, sagte sie. Clare griff nach dem braunen Umschlag. Sie spürte die vertraute Form der Karte darin. Sie zog sie behutsam heraus. Die sechzehnte Karte. Der Turm. Zwei Gestalten stürzten nach unten, mit dem Kopf voraus, in die zerklüfteten Felsen am Fuß der Zitadelle.
    Â»Was bedeutet das, Constance?«
    Â»Das warnt dich vor einer Katastrophe.« Constance setzte sich auf. »Eine Warnung vor dem Gesicht des Bösen. Nimm sie mit.«

    Clare steckte die Karte in ihre Tasche. Constance duldete keinen Widerspruch, das wusste sie.
    Â»Du kannst es auch als Erleuchtung lesen. Vielleicht bist du der Lösung näher, als du glaubst.«
    Â»Ich wünschte, es wäre so. Ich besuche dich bald wieder.« Clare küsste ihre Schwester auf die Stirn und ging, vergewisserte sich, dass die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Der Himmel war trüb und kalt.
    Vor Clare lag der Rest eines einsamen Tages, aber sie wandte sich lieber Problemen zu, bei denen noch Hoffnung darauf bestand, sie zu lösen. Auf der Heimfahrt kam sie am Haus von Amore Hendricks vorbei. Das ermordete Mädchen hatte in Mountain View gewohnt, einer tristen Siedlung auf einem windigen Dünenstreifen, von dem der Sand abgetragen worden war. Eng aneinandergebaute kleine Häuser duckten sich hinter hohen Mauern. In Reih und Glied geparkte glänzende neue Autos nahmen den Grillplätzen in den Gärten den Platz weg und machten sie ungemütlich. Clare sah Frauen hinter Vorderfenstern hin- und hergehen beim Servieren des unsichtbaren Abendessens für ihre unsichtbaren Familien. Die flimmernden Fernseher machten das Leben einigermaßen erträglich.
    In einem Haus, sonst nicht von den anderen zu unterscheiden, stand eine Kerze im Vorderfenster. Ein kleiner Altar. Clare fuhr langsam vorbei, wendete, parkte, wollte schon aussteigen, um die Hendricks kennenzulernen und Fragen zu stellen. Sie beobachtete, wie ein Mann herauskam und die Frau, die drinnen auf einer Kinderschaukel hin und her wippte, ins Freie lockte. Die Intimität ihrer Trauer brachte Clare von ihrem Vorhaben
ab. Riedwaan hatte Clare Kopien der Bänder mit den Gesprächen gegeben. Sie fand die Kassette mit der Aufschrift »Eltern Hendricks« und legte sie in den Rekorder. Sie spulte die Präliminarien im Schnelldurchlauf ab, bis zu der Stelle, an der Riedwaan damit anfing, die frische Wunde zu sondieren, die der Mord an ihrer Tochter ihnen zugefügt hatte.
    Â»Wann haben Sie Amore zum letzten Mal gesehen, Mr. Hendricks?«, fragte Riedwaan mit tröstlicher Stimme, leise. Das Aufnahmegerät verstärkte seinen Akzent.
    Â»Am Samstagnachmittag, ne skat ?« Mrs. Hendricks musste

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