Blutsbraeute
noch einmal an dem roten Fleck auf seiner Hose herum, war
aber zu erschöpft und stellte seine ungeduldigen Bemühungen bald ein. Er sagte dem strengen japanischen Küchenchef gute Nacht, zog sich die Jacke über und wickelte sie sich drauÃen noch enger um den Körper, denn der Wind fegte heftig und kalt. Er eilte mit hochgezogenen Schultern über die StraÃe, achtete auf Autos, aber nicht auf den Mond, dessen Spiegelbild in den Wellen schaukelte. Er war froh über den Unterstand an der Bushaltestelle neben den Palmen, dankbar für die Wirkung des ersehnten Joints und schaute auf das ruhige Blinken der Lichter an der Table Bay.
Das Mädchen lag zwischen zwei Palmen auf dem Ufergras. Eine Blume zwischen Pappschachteln, weggeworfenen Stöcken und Hundedreck. Ihr schwarzes Haar zeigte nach Westen, die FüÃe spreizten sich nach Osten, der linke war nackt, der rechte steckte in einem Stiefel mit hohem Absatz. Eine blutige Faust, schmerzhaft fest zusammengebunden mit einem dünnen blauen Seil, war halb verdeckt von einer herangewehten Plastiktüte. Ihre Kleidung war zerrissen, das offene Oberteil lieà den Blick frei auf mit Dehnungsstreifen überzogene Brüste.
Sie lag da, als wollte sie die langen Beine sonnen. Er rief. Nichts. Er ging hinüber, glaubte, sie sei eine Discobesucherin unter Drogen. Ihr Körper war schön. Es war lange her, dass er eine Frau angefasst hatte, ohne dafür zu bezahlen. Er bückte sich und nahm die weichen, schön geformten Brüste in die Hände. Sie waren voll wie der Mond. Der Wind hob den Schal um ihren Hals hoch, und er sah ihr ins Gesicht. Ihre durchgeschnittene Kehle trieb ihn zurück an die Bushaltestelle. Sie war so brutal aufgeschlitzt worden, dass sogar ein zarter Halswirbel
durchtrennt worden war. Ihre Augen waren zerstochen. Sie schaute blind hinauf zum Vollmond. Seine weiÃen Turnschuhe hinterlieÃen ihr Profil in Blut auf dem Asphalt.
Da kam der Bus. Er versuchte, sich zu beruhigen, sein Atem ging flach, und er stieg ein.
Setzte sich.
Niemand sah sie. Niemand schaute hin.
Sie wurde kleiner, als der Bus anfuhr. Dann war sie nicht mehr von den über den Strand verstreuten kleinen und groÃen Ansammlungen von Seetang zu unterscheiden. Er rieb sich die Hände. Sie brannten an den Stellen, an denen er das Mädchen angefasst hatte.
32
Als Julie und Marcus fort waren, ging Clare in die Küche. Sie spülte die Kaffeetassen, während Fritzi um ihre Knöchel strich, zufrieden, dass sie Clare wieder für sich allein hatte. Clare rückte die Couchkissen zurecht, als es an der Tür klingelte.
Clare drückte sofort auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Julie! Dein Paschminaschal ist hier. Deshalb hättest du doch nicht zurückkommen müssen. Ich hätte ihn dir vorbeigebracht.«
Keine Antwort, kein schuldbewusstes Lachen, nur die Stille der unbelebten StraÃe. Clare sträubten sich die Nackenhärchen. Sie ging in den Flur. Das Klopfen gegen ihre Tür war hartnäckig, unvertraut. Das Holz kam ihr
plötzlich sehr dünn vor. Ihre Hand ging zum Knopf der Alarmanlage.
»Wer ist da?«
»Ich binâs, Giscard.«
Clare hatte Giscard heute schon gesehen, auf dem Parkplatz, den er bewachte. Sie machte die Tür auf, so weit es die Kette zulieÃ. Es machte sie verlegen, durch den schmalen Spalt mit ihm reden zu müssen.
Sie drückte zwar nicht auf den Alarmknopf, machte die Tür aber auch nicht ganz auf. »Was wollen Sie hier? Fehlt Ihnen etwas?«
»Ich weiÃ, es ist spät, Madame Clare, aber ich muss Ihnen etwas über das Mädchen aus der Zeitung sagen. Das verschwundene Mädchen.«
Clare machte die Tür zu, löste die Kette und öffnete sie. »Kommen Sie herein«, sagte sie. Er folgte ihr in die Küche und setzte sich auf die Kante des ihm angebotenen Stuhls. »Was wollen Sie mir sagen?«
»Das Mädchen, das alle suchen. India King«, er kämpfte mit dem ungewohnten Namen. »Ich glaube, ich weiÃ, wo sie ist.«
Clare spürte, wie die Kraft aus ihren Beinen wich. Sie setzte sich.
»Woher wissen Sie das? Wo ist sie?«
»Jemand, ein Freund, hat mir gesagt, dass er sie am Strand gesehen hat. Bei dem japanischen Restaurant hinter dem Leuchtturm.«
Clare wurde kalt. »Sushi-Zen ?«
»Ja, ja, das ist es. Der Mann, der sie gesehen hat, mein Freund, er arbeitet dort.«
»Was meinen Sie mit
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