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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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wusste es nicht. Sie nahm ihren Mantel, schloss ab und fuhr zum Sushi-Zen .

33
    Der müllübersäte Strand war voller Lichter und Menschen. Hinter dem Absperrband hatte sich ein Grüppchen aus Gaffern gebildet. Der Polizeifotograf war bei der Arbeit. Clare sah hinauf zu dem dunklen Restaurant, in dem noch vor kurzem Menschen geplaudert und Wein getrunken hatten. Riedwaan kam zu ihr herüber, die Augen dunkel vor Zorn.
    Â»Komm, schau’s dir an, Clare«, sagte er. Er fasste sie am Ellbogen, hob das Band hoch, damit sie bequem darunter durchgehen konnte, und führte sie zum Fundort.
    Â»Richtung Westen«, sagte Clare und ging um die Leiche herum. Sie hatte Bilder von der lebendigen India King gesehen. Auf allen lachte sie, war in Bewegung, Hände und Haar verschwommen in offenkundiger oder zur Schau gestellter Begeisterung. Das hier war eine kaputte Puppe. Das Arrangement der Leiche stimmte mit dem der anderen Mädchen überein – die verschnürte Hand, die nuttige Kleidung. Clare zwang sich, das Mädchen anzusehen, unterdrückte den Ekel und versuchte, auf den Punkt zu bringen, was ihr entging.
    Â»Diese Wut«, sagte Riedwaan. »Er hat ihr die Kehle bis auf die Knochen durchgeschnitten. Entweder klappte es diesmal nicht mit seiner Fantasie, oder etwas anderes hat ihn rasend gemacht. Vielleicht hat sie sich auch zu sehr gewehrt.«
    Â»Er braucht die Kooperation des Opfers. Oder zumindest geheucheltes Mitspielen«, sagte Clare. »Er glaubt,
stelle ich mir vor, dass diese Mädchen ein Teil seines Spiels sein wollen.«
    Â»Komm«, sagte Riedwaan. Er führte Clare um das Mädchen herum. Sie lag auf der Böschung, und Clare sah, dass das Gras um sie herum mit Blut durchtränkt war. Sie streckte den Zeigefinger danach aus. Fasste es an. Es war klebrig. India King war hier umgebracht worden. Voll einsehbar von der Straße her, vom Restaurant und von dem Wohnblock auf der anderen Straßenseite aus. Ihr Mörder hatte ihr die Kehle im Mondschein durchgeschnitten wie bei einem Opferlamm. Clare wandte sich ab und trat rasch ein paar Schritte zur Seite. Ihr wurde unerwartet heftig übel. Riedwaan kannte sie so gut, dass er sie allein ließ, bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte, und nicht zu ihr ging.
    Â»Ich kann nicht glauben, dass niemand im Restaurant etwas gesehen hat«, sagte Clare, als sie sich wieder gefangen hatte.
    Â»Lass uns nachschauen, was man von dort oben aus sehen kann«, sagte Riedwaan.
    Sie gingen über die Straße zum Eingang. Das Restaurant war geschlossen, aber als Riedwaan sein Polizeiabzeichen zeigte, ließ der Nachtwächter sie ein. Es war sehr ruhig, bis auf ein paar murmelnde Stimmen in der Küche. Riedwaan machte sich auf die Suche nach dem Besitzer, während Clare durch die Gleittür zu einem der Tische ging und hinaussah. Sie sah nur schwarze Felsen, den Ozean und die Insel in der Ferne. Sie versuchte es von einem anderen Tisch aus. Das Gleiche. Die Terrasse versperrte den Blick auf die Straße. Die Grasböschung und der Strand waren unsichtbar, was man nur wissen
konnte, wenn man schon einmal im Restaurant gewesen war. Clare schob die Glastür auf. Es war sehr kalt auf der Terrasse. Es war den ganzen Abend über frisch und windig gewesen, deshalb waren die Tische gar nicht erst eingedeckt worden. Jetzt standen sie aneinandergekettet in einer Ecke.
    Clare sah wieder hinunter. Auch von hier aus wäre es schwierig gewesen, etwas zu sehen. Sie schaute hinüber zu dem Wohnblock. Nefertiti Heights, auf einer großen Bautafel als ein Projekt der Osiris-Gruppe ausgewiesen, war neu und noch nicht bezogen. Dort hatte es also ebenfalls keine Augenzeugen gegeben. Clare blickte wieder hinunter auf den Strand. Sie sah Dr. Mouton, der sich Notizen am Fundort machte. Indias Gesicht war endlich zugedeckt und ihre Leiche auf eine Tragbahre geschnallt worden. Die Sanitäter, kaum älter als sie, trugen die Bahre zur wartenden Ambulanz. Clares Augen füllten sich mit Tränen. Der Strand war leer bis auf eine wachsame, kreisende Möwe. Clare sah ihr zu, wie sie einen Bogen vor dem Nachthimmel zog, ihre weißen Federn glänzten im Mondschein. Der Vogel landete vor einem riesigen Hochwasserabfluss, einem dunklen Schlund, der unter der Straße in die Kanalisation der Stadt führte. Die Ambulanz fuhr mit eingeschaltetem Alarmlicht ab, zur Pathologie. Für India gab es noch keinen Frieden,

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