Blutschande
Matratzen auf den Betten um, öffnete alle Schränke und suchte alle Ecken ab, aber ohne Erfolg. In diesem Haus gab es keine Spuren mehr.
Liv starrte plötzlich auf das Gemälde eines Segelbootes im Sturm.
»Das Boot«, sagte sie. Sie sahen sich an.
»Das Boot«, wiederholte Roland. »Damit können sie nach Polen oder in eines der baltischen Länder segeln und sich von dort aus absetzen.«
In Riesensätzen rannte er zum Auto, dicht gefolgt von Liv.
»Max und Lind, bitte kommen!«, rief Roland ins Funkgerät, als sie mit fast 200 Stundenkilometern über den Hornbækvej durch die kleine Ortschaft Tikøb rasten. Vor einem Laden standen ein paar Jungs und winkten ihnen jubelnd zu. Liv hatte das Blaulicht aufs Dach gestellt und saß, den Blick auf die Straße gerichtet, neben Roland. Sie grinste. Er spürte, dass sie diese Einsätze mochte, auch wenn sie nicht selbst hinter dem Steuer saß. Sie ist wirklich nicht ganz normal, dachte Roland.
»Max und Lind, bitte kommen!«, rief er noch einmal und erhielt endlich eine Antwort.
»Max und Lind hier, was ist denn los?«, kam es aus dem Funkgerät.
»Wir glauben, dass die Eltern sich im Hafen befinden. Vermutlich wollen sie mit ihrem Boot abhauen. Fahrt zum Hafen und folgt ihnen, wenn nötig. Wir sind unterwegs Richtung Espergærde, over.«
»Verstanden.«
»Korrektur, wir sind gerade in Espergærde angekommen und werden in wenigen Minuten auf den Strandvej einbiegen. Wir sehen uns dann da unten«, sagte Roland.
Inzwischen hatte er den Strandvej erreicht und fuhr Richtung Hafen, vorbei am Café und dem öffentlichen Strand, an dem Amalie aufgetaucht war. Nach dem Sundkiosk und dem italienischen Eiscafé bogen sie scharf nach rechts zum Hafen ab. Sie parkten den Wagen am Restaurant, als Max und Lind um die Ecke bogen und nicht ganz so elegant neben ihnen zum Stehen kamen.
»Junge-Larsens Boot ist das große ganz am Ende des Kais«, sagte Lange Lind und streckte den Arm aus. »Es ist das größte hier im Hafen.«
Roland sah es sofort. Es lag noch immer vertäut am hintersten Liegeplatz. Er seufzte. Ein Prachtexemplar, dachte er. Eines der Boote, die er sich mit seinem bescheidenen Lohn niemals auch nur ansatzweise würde leisten können. Allein schon das Teakholzdeck sprengte sein Budget.
Liv reichte Roland ein kleines Opernglas.
»Sie sind auf dem Boot.«
Was sie nicht alles in ihren Taschen hat, dachte er, während er die Junge-Larsens beobachtete. Sie waren wirklich dabei, dass Boot seeklar zu machen. Anne Grethe Junge-Larsen stand noch an Land und reichte ihrem Mann einen Koffer. Danach folgte ein großer Pappkarton. Roland war sich ziemlich sicher, dass darin Lebensmittel waren. Dann rutschte Anne Grethe Junge-Larsen eine Flasche aus den Händen, die auf der einen Seite des Decks zersprang. Ihr Mann schrie sie an, und sie begannen zu streiten. Die sind reichlich nervös, dachte Roland. Und das mit gutem Grund. Er nahm das Fernglas von den Augen und reichte es Liv.
»Holen wir sie uns«, sagte er und gab den dreien ein Zeichen, ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie über die Mole auf das große Boot zu. Das Paar durfte sie ruhig sehen, dachte Roland. Es gab keinen Fluchtweg. Wollten sie abhauen, mussten sie erst an ihnen vorbei.
Als sie sich mit schnellen Schritten näherten, erblickte das Ehepaar die Polizisten. Michael Junge-Larsen ließ die Arme sinken, während Anne Grethe Junge-Larsen einen ganzen Pappkarton auf das Deck fallen ließ. Die vier zogen ihre Pistolen und stellten sich vor dem Boot auf. Roland ging auf das Paar zu.
»Keine Bewegung«, sagte er. »Halten Sie Ihre Hände so, dass ich sie sehen kann. Es soll doch nicht noch ein Unglück passieren.«
»Auf einmal ist der ganze Hafen voll scharfer Waffen«, sagte Michael Junge-Larsen und hielt die Hände vor seinen Oberkörper. »Wir sind nicht bewaffnet.«
Liv trat vor und sprang an Deck, wobei sie mit ihrer Waffe noch immer auf Michael Junge-Larsen zielte. Dann tastete sie ihn mit der Hand ab, um sicherzugehen, dass er nicht doch irgendwo eine Waffe hatte. Danach war Anne Grethe an der Reihe. Sie schüttelte den Kopf.
»Nichts«, sagte sie und wandte ihnen den Rücken zu.
»Was wollen Sie von uns?«, fragte Michael Junge-Larsen.
Roland ignorierte die Frage. Er war es, der hier die Fragen stellte.
»Wohin wollen Sie?«
»Segeln, das sehen Sie doch«, sagte Michael Junge-Larsen und grinste etwas gezwungen.
Roland ging an Bord und bewunderte das schöne Boot. Er fuhr mit der Hand über den
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