Blutschande
davon berichtet habe. Es war ja nicht der erste Versuch gewesen. Als uns dann Cecilie angeboten wurde, haben wir den Arzt gewechselt. Es passte nicht auf den Monat genau, aber das ist niemandem aufgefallen.«
Sie sah ihren Mann an.
»Wir hatten ein Kind. Wir konnten ... nein, wir konnten es wirklich zu Beginn kaum glauben. So viele Jahre hindurch hatten wir es versucht, und dann kam es plötzlich ganz einfach durch die Haustür. Erik versicherte uns, dass das Mädchen nicht gesucht wurde, ja, er meinte sogar, wir würden sie retten. Und diesen Gedanken hatten wir wohl auch selbst.«
»Dann hatten Sie keine Ahnung, woher Cecilie stammte? Wer ihre richtigen Eltern waren?«
Das Paar schüttelte die Köpfe. Anne Grethe Junge-Larsen weinte leise. Ihr verzerrtes Gesicht sprach Bände. Auch die Augen ihres Mannes waren rot und geschwollen.
Liv räusperte sich.
»Und Sie sind wirklich nie auf den Gedanken gekommen, dass irgendwo eine Mutter war, die ihre Tochter vermisste?«
Anne Grethe Junge-Larsen biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, nein. Das heißt, doch, der Gedanke ist mir schon mal gekommen, aber ich habe ihn … verdrängt.«
Dann fiel ihr Mann ihr ins Wort.
»Aber, verdammt noch mal, uns wurde doch gesagt, das Kind schwebe in Lebensgefahr, dass es womöglich getötet werden oder in irgendeinem Heim landen würde, wenn wir es nicht nähmen. Pest oder Cholera, wenn Sie mich fragen. Wir wollten uns schrecklich gern um das Kind kümmern. Warum sollten wir es dann nicht tun?«, fragte er. »Das würde doch jeder machen!«
»Ich kann Sie gut verstehen, aber vielleicht hätten Sie ja auch über die normalen Wege ein Kind bekommen können, zum Beispiel durch eine Adoption, oder indem Sie sich als Pflegefamilie melden.«
»Nicht mit meinem Alter«, sagte Michael Junge-Larsen. »Ich bin dreizehn Jahr älter als meine Frau. Wir haben uns ja um eine Adoption bemüht, man hat uns aber gleich zu verstehen gegeben, dass das mit meinem Alter so gut wie ausgeschlossen ist. Wenn überhaupt hätten wir nur ein älteres Kind bekommen, fünf Jahre oder noch älter.«
Liv starrte sie verständnislos an. Seine Argumente gingen komplett an ihr vorbei. Ein Kind war doch wohl ein Kind?
»Vielleicht hätte es ja auch noch andere Möglichkeiten gegeben?«, sagte sie, um nicht darüber zu diskutieren.
»Und was für welche? Künstliche Befruchtung hatten wir schon probiert, aber meine Frau hatte jedes Mal eine Fehlgeburt. Und Pflegekinder sind Problemkinder, da kriegt man nicht bloß die Kinder, sondern gleich auch noch ihre sozial vorbelasteten Eltern.«
Liv nickte, ohne seiner Meinung zu sein, und wechselte das Thema.
»Und nachdem Sie das Kind von ihm bekommen hatten, hatten Sie wirklich keinen Kontakt mehr zu Erik Adelskov?«
Die zwei sahen sich an, und Anne Grethe Junge-Larsen antwortete.
»Nein, wir haben ihnen einen Betrag in Millionenhöhe für Cecilie bezahlt. Danach haben wir nie wieder darüber gesprochen.«
Liv nickte und wollte weiterfragen, wurde aber von Roland unterbrochen.
»Schöne Schuhe«, sagte er und zeigte auf Michael Junge-Larsens schwarze Schuhe.
»Prada«, sagte er und zeigte sie vor.
Roland nickte.
»Dachte ich mir«, sagte er dann.
»Erzählen Sie mir von diesem Sonntag. Sie hatten sich mit Cecilie gestritten, nicht wahr? Was ist dann passiert?«, fragte Liv.
Michael Junge-Larsen öffnete den Mund, um zu antworten, als seine Frau ihn bremste, indem sie ihm die Hand auf die Schulter legte.
»Lass mich«, sagte sie und seufzte tief.
Liv und Roland warteten geduldig, bis Anne Grethe Junge-Larsen mit ihrer Geschichte begann.
»Wir waren unten auf dem Boot, haben dort zu Mittag gegessen und sind den ganzen Nachmittag dort geblieben. Cecilie fragte während des Essens, ob sie am Spätnachmittag mit einer Freundin zur Reitschule fahren dürfe. Sie wollte sich ihr Pferd anschauen. Ich … Wir haben uns beide ein bisschen Sorgen gemacht, dass da in dieser Reitschule etwas geschehen könnte, schließlich war es ein Sonntag, und da sind keine Erwachsenen da, die auf die Kinder aufpassen.«
»Außerdem hatte sie am nächsten Tag einen Termin im Aufnahmestudio. Sie sollte gleich mehrere Lieder einsingen«, fiel ihr ihr Mann ins Wort, woraufhin ihn seine Frau zurechtweisend ansah. »Was denn? Ich will ihnen doch nur unsere Beweggründe klarmachen.«
Er wandte sich wieder Liv und Roland zu. »Also, wir fürchteten, dass ihre Stimme in der Kälte Schaden nehmen
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