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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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könnte, und dass sie am nächsten Tag zu müde oder schlecht aufgelegt sein könnte.«
    »Deshalb haben wir Nein gesagt«, übernahm Anne Grethe Junge-Larsen wieder.
    »Und sie war verärgert darüber?«
    »Ja, sie war traurig und wütend. Aus Trotz hat sie dann ihr Fahrrad genommen und ist allein auf der Mole herumgefahren. Sie müssen wissen, Cecilie hatte ihren eigenen Kopf. Es gab nichts, worüber sie nicht eine eigene Meinung hatte, und ein bisschen verwöhnt war sie wohl auch. Sie war es gewohnt, dass die Dinge nach ihrem Kopf gingen. Überall wurde sie geliebt, wohin sie auch kam. Vor allem wegen ihrer Stimme, und die wenigen Konzerte, die sie nach dem Gewinn der Fernsehshow gegeben hatte, waren alle ausverkauft.«
    »Dann war sie aufgebracht darüber, dass Sie Nein gesagt hatten?«, sagte Liv und dachte daran, wie nervig ihre eigenen Töchter mitunter sein konnten.
    »Ja, und als wir nach Hause wollten, wollte sie nicht mit. Sie begann herumzuschreien und uns unten im Hafen vor der ganzen Stadt eine Szene zu machen.«
    »Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Dann hat mein Mann ihr gesagt, dass sie selbst sehen soll, wie sie nach Hause kommt. Sie könnte ja das Fahrrad nehmen. Gut, meinte sie nur, und war dann plötzlich weg.«
    Anne-Grethe nahm ein Päckchen Papiertaschentücher aus der Tasche, holte eines heraus und trocknete sich Augen und Nase.
    »Was ist dann passiert?«
    »Wir sind nach Hause gefahren, haben zu Abend gegessen und auf sie gewartet«, sagte Michael Junge-Larsen. »Wir haben ja damit gerechnet, dass sie irgendwann wieder auftaucht.«
    »Ja, wir sind davon ausgegangen, dass sie mit ihrer Freundin mitgefahren ist«, übernahm seine Frau. »Wir dachten, dass es ihr sicher guttut, ein bisschen auszuflippen.«
    Liv wunderte sich darüber, was manche Leute schon als ausflippen bezeichneten.
    »Wann ist sie nach Hause gekommen?«
    Die beiden sahen sich an und schienen sich wieder einig zu sein, was sie antworten sollten.
    »Wir waren gerade ins Bett gegangen. Es muss so etwa halb zehn gewesen sein … oder vielleicht zehn. Wir mussten am nächsten Tag früh raus.«
    »Haben Sie sie nach Hause kommen hören?«
    »Ja, das heißt, mein Mann hat sie gehört. Ich war schon eingeschlafen, als er mich weckte und sagte, jetzt sei sie wieder zu Hause.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Zuerst habe ich mich gefreut, weil sie wieder da war, aber mein Mann und ich haben dann gedacht, dass es wohl besser wäre, wenn ich mit ihr redete.«
    »Sie wollten Sie ausschimpfen oder bestrafen?«
    Anne Grethe Junge-Larsen seufzte wieder.
    »Wir haben so etwas wirklich nicht oft getan«, sagte sie dann.
    »Und dieses Mal ist es schiefgegangen. Waren Sie zu wütend?«, fragte Liv jetzt.
    Anne Grethe Junge-Larsen schüttelte vehement den Kopf.
    »Nein, nein, nein, so war es nicht …«
    »Wie dann? Was ist passiert?«
    Wieder kam das Päckchen Papiertaschentücher zum Vorschein.
    »Als ich in ihr Zimmer kam, saß sie weinend auf dem Bett. Sie tat mir sofort leid, so dass ich alle Pläne, sie zurechtzuweisen, fallen ließ. So ist das, wenn eine Mutter ihr Kind weinen sieht. Ich fühlte mich wirklich wie ihre leibliche Mutter, wirklich. Ich bin doch die Einzige, die sie gehabt hat.«
    Liv nickte.
    »Sie haben sie getröstet?«
    »Ja, ich habe mich hierhin gesetzt«, sagte sie und zeigte mitten auf das Bett.
    Liv zog einen weiß gestrichenen Stuhl zum Bett. Sie setzte sich rittlings darauf und gab Anne Grethe Junge-Larsen ein Zeichen weiterzureden.
    »Ich habe meinen Arm um sie gelegt und ihr die Haare gestreichelt, wie ich es immer getan habe, wenn sie traurig war.«
    Anne Grethe Junge-Larsen schloss für einen Moment die Augen, als erinnerte sie sich an die Gerüche, an all ihre Gefühle.
    »Und was haben Sie dann gemacht?«, fragte Roland.
    »Sie hat mich plötzlich angesehen, und ihre Augen waren so voller Hass, dass sie fast zu glühen schienen. Es war fürchterlich. Ich bin ein Stück von ihr zurückgewichen, weil ich so erschrocken war. Ich hatte ja keine Ahnung, was in dem Kopf von meinem kleinen Mädchen vor sich ging, warum sie mich so ansah.«
    »Hat sie Ihnen irgendetwas gesagt?«
    »Ja. Sie hat mich angeschrien. Sie hat mir gesagt, sie hätte ihren richtigen Vater getroffen, den ich nie erwähnt hätte. Sie hat mir vorgeworfen, wir hätten sie ihm abgekauft, als sie noch ein Säugling war.«
    »Was haben Sie darauf geantwortet?«
    »Ich habe versucht, sie zur Vernunft zu bringen. Habe es als eine Lüge

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