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Blutschande

Titel: Blutschande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Therese Philpsen
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abgetan, ihr gesagt, dass da nur jemand ver-suche, unserer Familie zu schaden, dass das sicher nur jemand sei, der ihre Karriere zerstören wolle.«
    Anne Grethe holte tief Luft, als versuchte sie, ganz weit nach unten in den Bauch zu atmen und so den bevorstehenden Weinkrampf zu kontrollieren. Sie atmete stoßweise aus, als hätte sie Wehen.
    »Aber Sie müssen doch gewusst haben, dass sie einen Verdacht hatte, seit sie nach der Decke mit dem Monogramm der Adelskovs gefragt hat, die sie im Keller gefunden hatte.«
    »Ich habe mir nichts dabei gedacht und ihr einfach gesagt, dass sie nach der Geburt in diese Decke eingewickelt worden sei. Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass sie misstrauisch werden oder nach der Herkunft dieser Decke fahnden könnte.«
    »Sie hat Ihnen aber nicht abgenommen, dass es nur jemand darauf abgesehen hatte, sie zu zerstören?«
    Aus dem Augenwinkel sah Liv Roland, der fast atemlos dastand und die Frau anstarrte, die in wenigen Sekunden diesem komplizierten Puzzle das letzte Teil hinzufügen würde.
    Jetzt kam es, dachte sie. Die Lösung.
    »Nein«, antwortete Anne Grethe. »Sie hörte nicht auf, die schrecklichsten Sachen zu sagen. Ich sei nicht ihre richtige Mutter, ich hätte sie gekauft, wie man Hunde oder Sklaven kauft, und ich würde sie nicht lieben, hätte sie nie geliebt. Und dann sagte sie, sie wolle weg, um ihre richtige Mutter zu finden.«
    Anne Grethe machte eine Pause, sah zu Liv auf und fuhr fort:
    »Sie müssen verstehen … nicht einmal mein Mann und ich haben über das gesprochen, was damals passiert ist. Wir hatten es vergessen, es verdrängt, uns selbst eingebildet, das alles sei gar nicht wahr. Mit den Jahren hatte ich selbst schon begonnen, das Ganze für eine Erfindung zu halten, für einen schlechten Traum. Ich glaubte schließlich selbst an die Geschichte, die wir erfunden hatten. Dass ich Cecilie mit einer Hausgeburt hier bei uns auf die Welt gebracht hatte, weil alles so schnell gegangen war, dass wir es nicht mehr bis in die Klinik geschafft hatten. Das Wasser sei mir im Badezimmer abgegangen, und dann hätten die Wehen mit einer solchen Stärke eingesetzt, dass ich mich nicht mehr hätte bewegen können. Ihre Schreie hätten von Anfang an wie Singen geklungen, und sie sei so schön, so perfekt gewesen. Ich habe immer vorgegeben, sie sehe aus wie ihre Großeltern, wenn jemand unsere fehlende Ähnlichkeit ansprach. Auch mein Vater habe zu Lebzeiten eine wunderbare Stimme gehabt, sie habe ihr Talent sicher von ihm, sagte ich immer, wenn mich jemand danach fragte. Das alles waren Geschichten, Lügen, aber wir haben sie so oft erzählt, dass ich schließlich selbst an sie geglaubt habe.«
    »Bis Cecilie Sie damit konfrontiert hat?«
    »Ja, das ist paradox, nicht wahr? Es stimmt aber, zu guter Letzt holen die Lügen einen selbst ein.«
    »Dann haben Sie sie umgebracht?«
    Anne Grethe sah Liv mit einem wilden Blick an.
    »Aber das war doch keine Absicht«, sagte sie mit hektischer Stimme. »Ich wollte nur, dass sie zu reden aufhörte. Sie hat mir immer weiter diese hässlichen Dinge gesagt. Ich wollte nur, dass sie still ist.«
    »Was haben Sie getan?«
    Anne Grethe drehte sich um, nahm ein Kissen vom Bett und platzierte es auf dem Kaninchen mit der Fliege.
    Michael Junge-Larsen schluchzte auf und hielt sich eine Hand vor den Mund.
    Liv hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
    »Ich habe dieses Kissen genommen und auf ihr Gesicht gelegt.«
    Anne Grethe hielt das Kissen jetzt über den Kopf des Kuscheltiers und drückte zu. Ihr Gesicht war verzerrt.
    »Sie hat versucht zu schreien«, fuhr sie fort. »Hat gestrampelt und geschlagen und mich am Hals gekratzt, aber ich habe festgehalten. Das Kissen blieb auf ihrem Gesicht, und ich habe weitergedrückt, bis sie ganz still dalag. Ich konnte nicht mehr aufhören. All die schrecklichen Worte, die sie gesagt hatte, gingen mir durch den Kopf. Meine richtige Mutter, mein richtiger Vater, ihr habt mich gekauft .«
    Sie machte eine Pause und starrte aufs Bett. Dann nahm sie das Kissen weg und nahm das Kuscheltier auf.
    Anne Grethe Junge-Larsen streichelte dem Kaninchen über den Kopf.
    »Es hat mich so mitgerissen. Ich konnte nicht einmal Abschied nehmen«, sagte sie dann.
    Michael Junge-Larsen sah seine Frau an.
    »Ich …«, begann er, und Liv fragte sich, ob er sich wirklich darüber im Klaren gewesen war, was seine Frau getan und wobei er mitgewirkt hatte. Auf jeden Fall schien ihm erst in diesem

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