Blutschande
halbe Tasse«, sagte Per Roland, als die kleine Frau in den Crocs einschenken wollte.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
Frau Adelskov bekam ein Stück Zucker in ihren Kaffee und rührte um. Auch Liv bekam eine Tasse. Sie trank ihren Kaffee schwarz.
»Sagen Sie mal, sind Sie nicht die kleine Moretti? Die Tochter von Juliane und Piero?«, fragte Frau Adelskov.
Liv nickte.
»Dachte ich es mir doch«, sagte die Witwe. »Tja, Ihre Familie sieht man ja nicht mehr so oft, seit Ihr Vater …« Sie verstummte mit einem Mal und trank mit schmalen Lippen einen Schluck Kaffee. »Also«, sagte sie dann und sah die anderen an. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
Liv musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht laut loszuprusten. Die Strandvejsfrauen und ihre Berührungsängste.
»In gewisser Weise suchen wir nach Ihrer Tochter, Katja Adelskov«, begann Per Roland. »Wir haben versucht, sie aufzuspüren, aber sie ist noch immer hier bei ihnen gemeldet, und wir können nichts über sie herausfinden. Sie hat sich weder ein Auto gekauft noch hierzulande ein Bankkonto eröffnet. Sie hat nie Steuern bezahlt oder eine Immobilie gekauft. Uns ist zu Ohren gekommen, dass sie hier seit gut zwölf Jahren nicht mehr gesehen worden ist, und da wir eine Reihe von Verbrechen an jungen Mädchen untersuchen, die hier in der Gegend in dieser Zeit geschehen sind, wollten wir uns vergewissern, dass nicht auch ihr etwas zugestoßen ist.«
Benedikte Adelskovs Lippen wurden schmal. Sie stand langsam auf und trat ans Fenster, wo sie ein paar Minuten stehen blieb und nach draußen starrte.
»Ich habe keine Tochter mehr«, sagte sie dann und stellte sich die Kaffeetasse auf die Handfläche.
»Wie meinen Sie das?«
Benedikte Adelskov drehte sich mit einem eleganten Schwung um.
»Meine Tochter ist vor zwölf Jahren verschwunden. Ich habe sie seither nicht mehr gesehen.«
Benedikte Adelskov führte die Tasse wieder an die Lippen und trank, wobei sie unverwandt über das Meer und die sonnenbeschienene schwedische Küste schaute.
»Sie war damals aber doch erst dreizehn Jahre alt«, sagte Liv. »Haben Sie denn nie nach ihr suchen lassen?«
»Dafür haben wir keinen Grund gesehen, nein.«
»Wir?«
»Mein Sohn, Erik, und ich.«
»Warum nicht?«, fragte Max Motor.
»Kurz nachdem sie weggelaufen war, haben wir einen Brief von ihr erhalten. Aus London, sie hat eine Cousine dort. Sie schrieb, dass sie uns nicht mehr sehen wolle, und diesen Wunsch haben wir respektiert.«
»Dürfen wir diesen Brief mal sehen?«
»Wir haben ihn nicht aufgehoben.«
»Und sie haben nicht versucht, sie zu finden?«
Benedikte Adelskov schnaubte.
»Nein, das haben wir sicher nicht. Wir laufen niemandem nach und flehen ihn an, doch mit uns zusammen zu sein. Wenn Katja keine Adelskov mehr sein wollte, dann war das ihre eigene Entscheidung.«
»Warum ist sie weggelaufen?«, fragte Liv. Die Gleichgültigkeit in der Stimme der Frau kannte sie nur zu gut. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie es sich angefühlt hatte, als ihre Mutter ihr, als sie gerade elf Jahre alt gewesen war, mitgeteilt hatte, diese mütterlichen Pflichten seien einfach nichts für sie.
»Das ist Privatsache«, sagte Benedikte Adelskov und stellte die Tasse vor sich auf den Sofatisch. »Ich möchte nur so viel sagen, dass wir uns nicht immer in allem einig waren. Weiter in die Tiefe müssen wir da nicht gehen. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Finden Sie selber den Weg nach draußen?«
»Wir müssen uns leider vergewissern, dass damals kein Verbrechen passiert ist«, sagte Per Roland und erhob sich. »Können Sie uns versichern, dass Ihre Tochter am Leben ist und es ihr gut geht?«
Benedikte Adelskov sah ihn an.
»Sie ist gesund und munter, der Rest ist unsere Privat-sache«, schnaubte sie und verschwand durch die doppelten Türen.
Liv hörte ihre hastigen Schritte auf dem kalten Marmorboden.
23
Helsingør hatte eine ungewöhnlich große Anzahl an Antiquitätenhändlern, dachte Per Roland, als er über die Stengade in die aus drei Straßen bestehende Fußgängerzone ging. Im Präsidium hatte er im Internet gleich vier unterschiedliche Läden und diverse Gebrauchtwarenläden gefunden. Er fragte sich, wie es zu dieser Häufung kam, wusste sich darauf aber keine Antwort zu geben. Dafür musste er aber feststellen, dass er trotz der lobenden Erwähnung der vielen Antiquitätenläden auf der Webseite der Touristinformation jetzt keinen einzigen davon finden konnte.
Er blieb
Weitere Kostenlose Bücher